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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima
Autoren: Franziska Wulf
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sogar ein Artikel im Lancet dabei heraus.«
    Martina Brettschneider war dunkelrot im Gesicht geworden, und jetzt hingen wirklich Tränen hinter ihren Brillengläsern. Beatrice wurde wütend. Sie hätte Thomas ins Gesicht schlagen können.
    »Wenn du keine konstruktiven Vorschläge hast oder helfen möchtest, solltest du lieber die Klappe halten und verschwinden«, zischte sie. »Oder hast du gerade nichts zu tun?«
    »Nichts wirklich Wichtiges. Nur ein paar Leben retten«, entgegnete er. »Glaubt ihr eigentlich, dass ihr diesen OP für heute gemietet habt? Hier findet nicht der Kurs für Kunststickerei statt. Macht endlich, dass ihr mit eurer Hernie fertig werdet und hier rauskommt. Abgesehen von einem Schwerverletzten, der so schnell wie möglich operiert werden muss, haben wir nämlich noch ein volles Programm.«
    Dann rauschte er wieder davon, und mit einem lauten Knall fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Wütend sah Beatrice ihm nach. Dieser eingebildete, arrogante Kerl, dieses Riesena... In diesem Moment trafen sich ihre Blicke durch die Scheiben zum Waschraum. Thomas zwinkerte. Und dann winkte er ihr sogar fröhlich zu.
    Dieser elende Schwindler!, dachte sie und spürte, wie sich im selben Augenblick ihr Zorn in nichts auflöste. Seine Methoden waren natürlich brutal, erniedrigend, manchmal sogar verabscheuungswürdig. Trotzdem musste sie sich eingestehen, dass sie tief in ihrem Innern Thomas für sein Auftauchen dankbar war.
    »Es ist wohl besser, wenn ich jetzt weitermache«, sagte sie und streckte ihre Hände aus. Widerspruchslos gab Martina ihr den Nadelhalter und die Pinzette. Vielleicht war sie noch erleichterter als alle anderen hier im OP.
    Schnell und routiniert reihte Beatrice Knoten um Knoten aneinander, bis die Wunde aussah wie eine Schnur mit in gleichmäßigen Abständen aufgereihten kleinen roten blau geränderten Perlen. Es waren nicht einmal zwei Minuten vergangen, als sie bereits die Tuchklemmen lockerte, die sterile Mullkompresse auf die Wunde legte und das Pflaster darauf klebte. Die OP war beendet. Endlich. Während Stefan mit der Ausleitung der Narkose begann, warfen sie und Martina ihre Handschuhe in den Mülleimer und zogen sich die grünen OP- Kittel aus.
    »Danke«, sagte Martina leise. Ihr Gesicht unter der Maske war hochrot, ihre Stirn schweißnass. Sie nahm ihre Brille ab und wischte sie mit einem Zipfel des OP-Hemdes trocken. Ihre Hände zitterten immer noch. Sie schämte sich, das war unverkennbar. »Es tut mir Leid, dass ich mich so ungeschickt angestellt habe. Ich ...«
    »Ganz egal, was Thomas gesagt hat, es muss dir überhaupt nicht Leid tun«, erwiderte Beatrice freundlich. »Für dich war es schließlich das erste Mal. Du solltest zu Hause in Ruhe die Knoten üben. Ich hatte einen Kommilitonen, der an rohen Schweinefüßen geübt hat, bis ihn seine WG wegen des abscheulichen Gestanks im Kühlschrank rausschmeißen wollte. Aber spätestens wenn du in ein paar Wochen auf die Notaufnahme kommst, wirst du sehr oft Gelegenheit haben, Platzwunden zu nähen. Und dann wirst du es können.«
    Martina nickte zwar, aber ihre resignierte Körperhaltung sprach Bände. Sie war total frustriert. Und Beatrice konnte es ihr noch nicht einmal verdenken.
    »Was soll ich jetzt tun?«, fragte sie.
    Beatrice warf einen Blick auf die große Wanduhr, die an der Stirnseite des Ganges hing. Es war Viertel nach zwei. Zu spät für das Mittagessen. Die Personalkantine schloss gerade in diesen Minuten ihre Pforten. Blieb also höchstens ein Snack beim Imbiss um die Ecke.
    »Hast du schon gegessen?«
    »Ja.«
    »Dann sei so lieb und geh wieder auf die Station. Du kannst schon mit dem Wechseln der Verbände beginnen. Ich werde noch den OP-Bericht diktieren und den Bogen für die liebe Verwaltung ausfüllen. In einer Viertelstunde komme ich nach.«
    Beatrice sah der davongehenden Martina hinterher. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, welchen schweren Schaden das Selbstbewusstsein der jungen Frau gerade erlitten hatte. Diese Niederlage musste sie als angehende Ärztin erst einmal verkraften. Und das beste Mittel dafür war immer noch - das wusste Beatrice aus eigener Erfahrung - die Arbeit am Patienten.
    Nachdem sie in der Schreibecke den Bericht in das dort bereitliegende Diktaphon gesprochen hatte, stieß Beatrice die Tür zum Aufenthaltsraum auf. Sie nahm ihre OP-Maske ab und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht.
    »Du brauchst dich nicht zu bedanken, Bea«, sagte Thomas. Er saß lässig mit
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