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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima
Autoren: Franziska Wulf
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beisammen und ...«
    »Hattet ihr das wirklich?« Saddin schüttelte den Kopf. »Nein, es waren nie alle sieben in einem Raum, oder?«
    Natürlich hatte er Recht. Aber irgendwie hatte sie gehofft ...
    »Es wäre schön gewesen«, sagte sie leise und senkte den Kopf. Plötzlich fühlte sie sich mutlos.
    Sie hörte das Rascheln von Saddins Kleidung, als er näher trat und sich vor sie kniete. Es klang wie der Frühlingswind, wenn er durch das erste junge Grün der Bäume fuhr.
    »Eines Tages, wenn die Zeit gekommen ist, wird das Auge vollständig sein«, sagte er und hob ihr Kinn mit einem Zeigefinger hoch, sodass sie ihm in die Augen sehen konnte. Augen, in denen die Sterne schimmerten. »Und das sollte dir Trost genug sein. Du musst jetzt dein Leben weiterführen.«
    »Muss ich wieder auf Reisen gehen?«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich werde da sein, falls du mich brauchen solltest. Und ich bin keineswegs der Einzige.« Er neigte seinen Kopf zur Seite und lauschte dem Pfeifen, das aus der Küche zu ihnen drang. Dann gab er ihr einen Kuss und erhob sich wieder. »Denke an das Versprechen, das du Ali gegeben hast.«
    »Ja, aber was wird jetzt aus mir?«
    Er drehte sich um und zuckte mit den Schultern. Um seine Lippen spielte das typische Lächeln - halb spöttisch, halb belustigt, halb liebevoll.
    »Was du willst, Beatrice. Du bist erwachsen. Entscheide dich - Chirurgin, Mutter, Ehefrau oder alles auf einmal. Du hast die Wahl.«
    »Und was ist mit den Steinen?«
    »Verschließe sie in einem Schrank. Und rede mit niemandem darüber. Höchstens mit einer Ausnahme. Michelle hat mir auch versprochen, darüber zu schweigen. Und wie ich sie kenne, wird sie ihr Versprechen halten.«
    Dann drehte er sich um und ging. Und nach ein paar Schritten war er verschwunden. Es sah beinahe so aus, als wäre er mit der Regentonne verschmolzen.
    »Hast du mit jemandem gesprochen?«, fragte Thomas, der gerade in diesem Augenblick mit zwei Tellern und einem weiteren Stapel lecker belegter Brote wiederkam.
    »Nein«, antwortete Beatrice und fragte sich, ob Thomas wirklich Saddins Stimme gehört haben konnte. Nein, das war unmöglich.
    »Ich dachte, ich hätte eben eine Männerstimme gehört. Und dann dieser Geruch.« Er schnupperte. »Das riecht nach einem Rasierwasser. Irgendetwas Orientalisches. Es erinnert mich ...«
    »Das müssen die Blumen sein«, sagte Beatrice und biss in ihr Brot.
    Die sechs Steine der Fatima lagen in dem Holzkasten, gut verschlossen und im obersten Regal ihres Kleiderschranks versteckt. Dort würden sie sicher sein. Wenigstens vorläufig. Ob sie Thomas eines Tages von den Steinen der Fatima erzählen würde? Vielleicht. Irgendwann. Seltsamerweise hatte sie sogar das Gefühl, dass er ihr glauben würde. Ausgerechnet Thomas. Niemals hatte sie an ihn gedacht. Und doch saß sie jetzt hier auf den Stufen ihres Hauses und spürte beim Klang seines Gesangs aus der Küche eine wohlige Wärme. Das Leben war doch seltsam.
    Beatrice blickte in den Sternenhimmel hinauf. Direkt über ihr stand das Auge und lächelte auf sie herab.

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    Epilog
    I ch glaube, er wacht auf.«
    »Meinst du wirklich?«
    »Doch, er hat eben mit den Lidern gezuckt. Und siehst du, seine Hand? Sie bewegt sich.«
    Das aufgeregte Flüstern kam näher. Und obwohl er es eigentlich nicht wollte, obwohl er nichts mehr herbeisehnte als seine Ruhe, seinen Frieden, konnte er nicht anders.
    Solange auch nur ein Funke Leben einen Menschen beseelt, verliert er nicht seine Neugierde, dachte Moshe Ben Maimon und versuchte die Augen zu öffnen, obwohl er es eigentlich gar nicht wollte. Er wollte nicht sehen, wohin der Stein ihn jetzt schon wieder gebracht hatte. Er wollte sich nicht wieder in eine andere Zeit, eine andere Umgebung eingewöhnen, nicht wieder lieb gewonnene Menschen zurücklassen müssen. Er wollte ein für alle Mal seinen Frieden haben. Und trotzdem konnte er nicht anders.
    Moshe Ben Maimon öffnete die Augen. Über ihn gebeugt stand ein Mann. Ein Mann mit rabenschwarzem Haar und dunklen Augen. Daneben stand eine Frau. Sie war alles andere als jung, aber trotzdem war sie schön mit ihrer hellen, faltigen Haut, den schlohweißen, langen Haaren, den blassblauen Augen und der aristokratischen Nase. Von allen Menschen, denen er auf seinen ungezählten Reisen begegnet war, liebte er dieses Gesicht am meisten. Es war Sarah, seine Frau.
    Und er wusste, wo er sich befand. Er war zu Hause. In Kairo. Endlich.
    Moshe Ben Maimon schloss die Augen
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