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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima
Autoren: Franziska Wulf
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Situation serviert? Vielleicht Trüffelcroustini auf Blattsalaten der Saison? Sherrytomaten auf gebackenem Ziegenfrisch- käse? Oder hätte er einen Lieferservice angerufen - natürlich nur den besten der Stadt? Auf alle Fälle wäre es edel und teuer gewesen. Und lediglich gewollt spontan.
    Thomas biss so herzhaft in sein Brot, dass Beatrice lachen musste.
    »Entschuldigung«, nuschelte er mit vollem Mund und wischte sich mit dem Zeigefinger einen Rest Mayonnaise aus dem Mundwinkel. »Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe wirklich einen Mordshunger.«
    »Welcher Chirurg kann schon einem gefüllten Kühlschrank widerstehen?«
    Sie mussten beide lachen und stießen an. Rotwein in alten Wassergläsern. Markus hätte sich vor Abscheu geschüttelt und den allgemeinen Verfall der Sitten beklagt. Beatrice hingegen fühlte sich wohl.
    »Ich danke dir, Thomas. Ich danke dir wirklich von ganzem Herzen. Was du heute für mich - und Michelle - getan hast ...«
    »Du redest Unsinn. Michelle ist wieder bei Bewusstsein, und das allein zählt. Wenn nichts dazwischenkommt, wird sie morgen auf die normale Kinderstation verlegt. Sie werden noch ein paar Untersuchungen machen, und wenn sie nichts finden, kannst du sie schon in wenigen Tagen wieder mit nach Hause nehmen. Und du brauchst dir keine Sorgen zu machen, schließlich bin ich für den Dienstplan zuständig. Nutze die Möglichkeit und bleib so lange bei ihr, wie es geht. Das ist für euch beide das Beste.« Er streckte die Hand nach ihrem Teller aus. »Möchtest du auch noch etwas?«
    »Ja, gerne. Noch mal das Gleiche.«
    Thomas verschwand wieder in der Küche. Nachdenklich drehte Beatrice das Glas in ihren Händen. Natürlich würden die Ärzte nichts finden. Michelle war schließlich gesund. Sie würden sie bestimmt schon morgen auf die normale Kinderstation verlegen. Ein paar Untersuchungen, vielleicht ein abschließendes MRT vom Kopf, dann würde man Michelle entlassen - ein gesundes fast vierjähriges Mädchen, dass lediglich ein sehr seltsames Erlebnis hinter sich hatte. Und dann ...
    In diesem Augenblick nahm sie einen anderen, ebenfalls vertrauten Geruch war. Amber und Sandelholz. Beatrice blickte auf. Da stand Saddin. Keine zwei Meter von ihr entfernt lehnte er an der Hauswand und lächelte sie an.
    »Geht es dir gut?«, fragte er.
    »Ja, jetzt ja. Meine Tochter ...«
    »Ich weiß. Du vergisst, dass auch ich sie kenne. Es freut mich, dass sie wieder aufgewacht ist.«
    »Ja. Und trotzdem ...«
    »Du denkst an Ali?«
    Beatrice zuckte zusammen, als sie merkte, dass sie gar nicht so traurig war, wie sie eigentlich sein sollte angesichts der Tatsache, dass sie gerade den Vater ihrer Tochter, ihren Mann in einem anderen Zeitalter zurückgelassen hatte. Aber woher kam es, dass sie ihn nicht so sehr vermisste?
    »Fehlt er dir sehr?«
    »Nun, ich ...«
    »Mach dir deswegen keine Vorwürfe«, sagte Saddin. »Ihr habt euch gegenseitig ein Versprechen gegeben. Erinnerst du dich daran?«
    »Natürlich, ich ...«
    »Ali hat sich daran gehalten. Du solltest es ebenfalls tun. Ohne schlechtes Gewissen.«
    Beatrice holte tief Luft. Möglicherweise lag es ja am Wein, dass sie sich so leicht und beschwingt fühlte.
    »Mal sehen. Darf ich dir ein paar Fragen stellen?«
    Saddin lächelte. »Natürlich. Ich habe auch nichts anderes von dir erwartet.«
    Sie hätte ihn eigentlich nach Malek und Yasmina, nach Mustafa und den Fidawi fragen können. Doch das alles interessierte sie nicht wirklich. Obwohl ...
    »Der Stein ist nicht bei den Fidawi«, sagte Saddin, ohne dass sie die Frage ausgesprochen hatte. »Moshe hatte ihn. Er ist aus deinem Beutel gefallen, als du und Ali bei ihm wart. Oder so ähnlich.« Er lachte, als ob das Ganze ein guter Witz wäre. »Der Großmeister, der Alte vom Berg, hat ganz schön getobt, als ihm klar wurde, dass der Stein ihm durch die Lappen gegangen war. Allerdings hat er nicht erfahren müssen, dass über Jahrzehnte hinweg die Steine der Fatima in jüdischer Hand waren. Ich hätte zu gern sein Gesicht gesehen, als man es ihm gesagt hat.«
    Beatrice biss sich auf die Lippen. Eine Frage brannte ihr auf der Seele, aber sie konnte sich nicht dazu durchringen, sie zu stellen.
    »Nur zu, heraus mit der Sprache«, sagte er, noch während sie hin und her überlegte.
    »Saddin, warum ist das Auge nicht vollständig?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
    »Ich meine, wir hatten doch alle Steine. Für einen kurzen Augenblick hatten wir wirklich alle
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