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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
Autoren: Daniel Dekkard
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erhoben, verlangte er unnachgiebig nach dem Kris. Arundhavi befestigte die Klinge zwischen den steinernen Fingern und stellte sich auf den mittleren der Steinsockel.
„Hundert Jahre mussten wir warten, seit wir das Wissen verloren. Vieles vermochten wir zu sehen. Aber erst dieser Elende holte das Fehlende wieder ans Licht.“
Der helle Strahl des Mondlichtes streifte über die westliche Wand der Kammer. Wie mit Flammen geschrieben flackerten in feinen Linien die Silben des Mantras. Mit monotoner Stimme begann Arundhavi mit der Rezitation, als das Mondlicht sich in das Innere des Steinkreises bewegte. Verwirrt unterbrach er den Gesang. Für einen kurzen Moment erlosch das Licht. Eine Wolke verdeckte den Mond und Sens Miene erhellte sich.
„Es verfehlt seine Wirkung. Der Kris wurde seit über hundert Jahren nicht der vorgeschriebenen, rituellen Reinigung unterzogen. Er besitzt keine Macht mehr. Und nun, Arundhavi, da das Heiligtum in Burma zerstört ist, wird es Euch nicht so schnell gelingen.“
Mit einem Satz sprang Arundhavi vor, entriss dem Schwarzen Buddha den Dolch wieder und ging auf Sen und Leonard zu, bösartiges Funkeln in den Augen.
„Ihr irrt Euch erneut. Es gibt noch eine Möglichkeit, den Schmutz von der Klinge zu waschen. Dies ist deine Bestimmung als letzter deiner Sippe. Gib ihm die Macht. Mit dem Blut des Diebes!“
Mit diesen Worten rammte er den Dolch in Leonards Unterleib. Ein dunkles Feuer verbrannte seine Eingeweide. Stöhnend sank er zu Boden.
„Das Blutopfer!“
Sen beugte sich zu Leonard hinunter, während Arundhavi das Ritual von neuem begann. Als die Wolke verflog, strahlte das Licht senkrecht auf den mittleren Steinsockel.
„Han-ana-ih-man-chöh-san-mon-sah-chi-han.“
Hinter Arundhavis Rücken materialisierte ein nebelhafter Schatten, vielstimmiges Gemurmel erfüllte den Raum. Plötzlich zischte ein schwarzer Stab durch die Luft und schlug Arundhavi den Revolver aus der Hand. Kavenay versuchte, den Kris zu greifen. Aber er verfehlte das Ziel und Arundhavi legte den freien Arm um die Kehle des Angreifers, zwang ihn mit stahlhartem Griff in die Knie.
„Du Hundesohn. Ich bedaure, dich nicht mit dem Objekt deiner Begierde töten zu können. Aber dein Blut würde ihn verderben. So stirb denn langsam.“
Der Mönch presste den Leib des Angreifers an sich, sein Arm schnürte Kavenay die Luft ab. Für einen Gegenangriff fehlte ihm jeder Spielraum, aber er benötigte keinen. Er setzte das Ende seines Gehstocks unter Arundhavis Kinn und drückte kräftig auf den Ziegenkopf. Eine starke Feder schoss den im Stock verborgenen Stahlpfeil mit Wucht heraus. Er drang durch den ganzen Schädel und fuhr auf der Oberseite wieder hinaus. Leblos sackte Arundhavi hinter Kavenay in sich zusammen, sein Griff löste sich und der Körper des Mönches fiel zu Boden. Kavenay fasste sich an die Gurgel, schluckte mehrmals. Dann zog er seine Anzugjacke zurecht und nahm den Kris. Keine Sekunde zweifelte Sen daran, dass alles verloren war. Der Mann mit den Bernsteinaugen beendete Arundhavis verhängnisvolles Vorhaben. Aber nur, um einen Teufel durch den nächsten zu ersetzen.
„Wie haben Sie den Weg hierher gefunden?“
Kavenay blickte auf den weißhaarigen Chinesen, der am Boden kniete, den um sein Leben kämpfenden Leonard im Arm. Ihm war gleich, wer der Mann sein mochte. Belustigt wedelte er mit dem Arm in der Luft herum.
„Die Akustik. Bemerkenswerte Konstruktion, das Gebäude hier. Ihr Palaver war durch den ganzen Tunnel zu vernehmen. Ich brauchte nur den Stimmen zu folgen. Und sie haben mir außergewöhnliche Dinge verraten.“
„Sie haben doch nicht etwa vor, das Werk dieses abtrünnigen Mönchs zu vollenden.“
„Glauben Sie, ich lasse mich auf diesen verdammten Voodoo-Irrsinn ein?“, wiegelte Kavenay ab. „Das hat der bedauernswerte Mister Finney nie verstanden. Ich interessiere mich für das, was Sie soeben als den Weg des Lichtes bezeichnet haben. Erkenntnisse. Eine wunderbare Sache.“
„In Ihren Händen, fürchte ich, ist es kein Weg des Lichtes.“
„Halten Sie ihn auf“, stöhnte Leonard. „Er darf nicht ...“
Alle Kraft aufwendend, zu der er noch fähig war, richtete er sich auf. Den Schmerz fühlte er nicht mehr, die Bilder vor seinen Augen schoben sich ineinander.
„Falls Sie es nicht merken“, sagte Kavenay, „Sie sterben gerade, Mister Finney.“
Plötzlich hörte er zu seiner Linken ein Geräusch. Aus einem Durchgang stolperten zwei Gestalten, Nini und Manao.
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