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Das Atmen der Bestie (German Edition)

Das Atmen der Bestie (German Edition)

Titel: Das Atmen der Bestie (German Edition)
Autoren: Graham Masterton
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ist, nicht wahr?«
    Seymour Wallis widmete mir ein kurzes Lächeln. »Vermutlich – aber er hing bereits an der Tür, als ich einzog. Ich weiß nicht, was er darstellen soll. Meine Schwester glaubt, es könnte der Teufel sein, aber ich bin da nicht so sicher. Und weshalb ›Rückkehr‹ darunter steht, werde ich wohl niemals erfahren.«
    Wir standen in einer hohen, muffigen Diele, ausgelegt mit schäbigem braunem Teppichboden. Überall an den Wänden hingen gelblich verblasste Drucke, Zeichnungen und gerahmte Briefe. Einige der Rahmen waren leer und manche zerbrochen, aber die meisten enthielten erdfarbene Ansichten vom Mount Taylor und Cabezon Peak, andere stockfleckige Landkarten und unleserliche, handgeschriebene Zeugnisse.
    Das Geländer der Wendeltreppe neben uns war aus dunklem Mahagoni gedrechselt und obendrauf sahen wir eine Bronzefigur – ein Bär, der aufgerichtet stand und anstelle der Schnauze mit einem Frauengesicht versehen worden war. Die Stufen, massiv, aber schmal, wuchsen hinauf in die Dunkelheit der ersten Etage wie eine Rolltreppe in die schwarze Stille der Nacht.
    »Wir gehen besser hier entlang«, meinte Seymour Wallis und führte uns durch die Diele zu einer Tür. Über ihr hing ein schäbiger Hirschkopf mit verstaubtem Geweih und nur noch einem Auge.
    Dan sagte: »Nach Ihnen«, und ich war mir nicht sicher, ob er sich über das Haus lustig machte. Es konnte jedenfalls nicht noch unheimlicher werden.
    Wir betraten ein kleines, stickiges Büro. Rundherum standen leere Regale, auf denen früher einmal Bücher aufgereiht gewesen sein mussten, denn die bräunlich gemusterte Tapete hinter ihnen zeigte noch die Schatten, wo sie einst gestanden hatten. In der Ecke, unter einem melancholischen Bild des frühen San Francisco, standen ein Schreibtisch mit fleckiger lederbezogener Platte und ein Holzstuhl, an dessen Rückenlehne zwei Stäbe fehlten. Seymour Wallis hatte die Fensterläden unten gelassen und die Luft des Zimmers war stickig und säuerlich. Es roch nach Katzen, Lavendelkissen und Insektenmittel.
    »Hier höre ich die Geräusche stärker als in jedem anderen Raum«, erklärte Wallis. »Meistens in der Nacht, wenn ich hier sitze und Briefe schreibe oder meine Bilanzen überprüfe. Zuerst hört man nichts. Doch dann spitze ich die Ohren und bin sicher, es zu hören. Sanftes Atmen, als habe jemand den Raum betreten und stehe eine Weile etwas von mir entfernt da und beobachte mich. Ich versuche, na ja, ich habe versucht, mich nicht umzudrehen. Aber ich muss zugeben, dass ich es doch immer tue. Und natürlich ist niemand da.«
    Dan ging über den abgetretenen Läufer. Die Bodenbretter knackten unter seinen Füßen. Er nahm einen Sternenkalender von Seymour Wallis’ Schreibtisch und sah ihn einige Augenblicke prüfend durch.
    »Glauben Sie an das Übernatürliche, Mr. Wallis?«
    »Das hängt davon ab, was Sie unter Übernatürlich verstehen.«
    »Tja, Geister.«
    Wallis schaute erst mich und dann wieder Dan an. Ich glaubte, er fürchtete, wir wollten ihn zum Narren halten. In seinem dunkelbraunen Bademantel sah er aus wie einer von diesen älteren Herren, die darauf bestehen, am Weihnachtstag ein kurzes Bad im Meer zu nehmen.
    »Ich habe meinem Kollegen hier schon erzählt, dass es Häuser gibt, die als Empfänger für Töne und Unterhaltungen aus der Vergangenheit dienen. Falls in ihrem Inneren etwas besonders Erregendes passiert, dann speichern sie die Geräusche im Gefüge der Mauern ab wie ein Aufnahmegerät und wiederholen sie später, wieder und immer wieder. Erst letztes Jahr gab es da einen Fall in Massachusetts: Ein junges Paar behauptete, es höre bei Nacht immer wieder einen Mann und eine Frau in ihrem Wohnzimmer streiten, aber sobald sie nach unten gingen, sei niemand da. Sie konnten tatsächlich Namen verstehen, und als sie im örtlichen Kirchenregister nachsahen, stellten sie fest, dass die Leute, die sie ständig hörten, 1860 in ihrem Haus gewohnt hatten.«
    Seymour Wallis rieb sich sein stacheliges Kinn. »Sie wollen mir sagen, dass dieses Atmen, das ich höre, von einem Geist ist?«
    »Nicht gerade ein Geist«, sagte Dan. »Es ist nur ein Echo aus der Vergangenheit. Es mag wohl beängstigend sein, ist aber nicht gefährlicher als die Töne, die aus dem Fernseher kommen. Es sind nur Geräusche, mehr nicht.«
    Wallis setzte sich langsam auf den alten Stuhl und sah uns sehr ernst an. »Kann ich es dazu bringen, mich allein zu lassen?«, fragte er. »Ich meine, können Sie es
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