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Das Atmen der Bestie (German Edition)

Das Atmen der Bestie (German Edition)

Titel: Das Atmen der Bestie (German Edition)
Autoren: Graham Masterton
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leid.«
    Urplötzlich griff er nach meinem Handgelenk. Seine knochige alte Hand war überraschend stark und es fühlte sich an, als ob mich ein nackter Adler gepackt hätte.
    »Warum hören Sie nicht auf, ständig zu sagen, dass es Ihnen leidtut, und tun stattdessen etwas Nützliches?«, fragte er. Er trat so dicht an mich heran, dass ich die roten Äderchen in seinen Augen erkennen konnte. »Wenn Sie hier fertig sind, warum kommen Sie anschließend nicht mal vorbei und hören fünf Minuten zu? Ich habe schottischen Whisky da, den mein Neffe aus Europa mitgebracht hat. Wir könnten einen Drink nehmen und dann könnten Sie zuhören.«
    »Mr. Wallis ...«
    Er ließ mein Handgelenk los, seufzte und rückte seinen Hut zurecht. »Bitte verzeihen Sie mir«, sagte er ausdruckslos. »Ich glaube, dass mir meine Nerven einen kleinen Streich gespielt haben.«
    »Schon gut«, sagte ich. »Hören Sie zu, sollte ich nach Feierabend noch Zeit finden, komme ich vorbei. Heute Abend muss ich noch zu einer Besprechung, aber danach versuche ich es.«
    »Sehr schön«, sagte er, ohne mich anzusehen. Er wollte nicht die Kontrolle über seine Gefühle verlieren und strengte sich sehr an, sich zusammenzureißen.
    Dann sagte er: »Es könnte der Park sein, wissen Sie. Es könnte etwas mit dem Park zu tun haben.«
    »Mit dem Park?«, fragte ich verblüfft.
    Er runzelte die Stirn, als ob ich irgendetwas völlig Belangloses gesagt hätte. »Danke, dass Sie mir Ihre Zeit geopfert haben, junger Mann.«
    Dann ging er den langen polierten Flur entlang. Ich stand im Türrahmen und schaute ihm nach. Überraschend begann ich in der klimatisierten Luft zu frösteln.
    Wie üblich wurde die abendliche Sitzung von Ben Pultik beherrscht, dem Leiter der Abteilung für Müll. Pultik war ein kleiner, breitschultriger Mann, der aussah wie ein schmaler Garderobenschrank, über den ein gemustertes Jackett gestülpt wurde. Er arbeitete schon seit einer Ewigkeit in der Müll-Abteilung und betrachtete sein Ressort als eine der wichtigsten Aufgaben der Menschheit, was es, wenn man so will, ja auch war – doch nicht in dem Sinne, wie er es sah.
    Wir saßen um den Konferenztisch, rauchten viel zu viel und tranken wässrigen Kaffee aus Plastikbechern, während sich der Himmel draußen vor den Fenstern purpurn und mattgold färbte und die Türme und Dächer von San Francisco wie Sand glitzernd in der Pazifiknacht verschwanden.
    Pultik beschwerte sich, dass die Besitzer ausländischer Restaurants die Küchenabfälle nicht fachgerecht in schwarzen Plastikmüllsäcken sammelten, und seine Mannschaft deshalb ihre Overalls ständig mit exotischen Essensresten beschmutzte.
    »Einige meiner Männer haben einen jüdischen Glauben«, sagte er und zündete seinen Zigarettenstummel wieder an. »Und das Letzte, was die sich wünschen, ist, sich von oben bis unten mit Essen einzusauen, das nicht koscher zubereitet worden ist!«
    Morton Meredith, der Chef der Abteilung, saß mit verkrampftem Lächeln in seinem Sessel am Kopf des Tisches und versteckte hinter seiner Hand ein Gähnen. Der einzige Grund, warum wir diese Sitzungen abhielten, war der, dass man im Rathaus darauf bestand; die Angestellten sollten sich untereinander Anregungen geben – doch der Gedanke, von Ben Pultik stimuliert zu werden, war wie die Idee, bei McDonald’s Muscheln à la farcies zu bestellen. Die stehen dort nämlich gar nicht auf der Karte.
    Kurz vor neun Uhr, nach einem ermüdenden Bericht der Schädlingsbekämpfer, verließen wir das Gebäude und traten hinaus in die warme Abendluft. Dan Machin, jung und dürr wie eine Bohnenstange, der beim Forschungslabor des Gesundheitsamtes beschäftigt war, kam über den Platz auf mich zugelaufen und schlug mir auf den Rücken.
    »Wie wär’s mit einem Drink? Bei diesen Sitzungen trocknet einem ja die Kehle aus.«
    »Klar«, antwortete ich. »Ich habe Zeit genug zum Totschlagen.«
    »Zeit und Fliegen.«
    Warum ich Dan Machin mochte, weiß ich eigentlich nicht genau. Er war drei oder vier Jahre jünger als ich, seine Haare stoppelig-kurz geschnitten wie der Weizen in Kansas, und er trug eine große, altmodische Brille, die immerzu von seiner Stupsnase rutschen wollte. Seine Jacken – mit Lederaufnähern an den Ellbogen – waren immer zu groß, seine Schuhe ständig ausgelatscht; doch er hatte einen leisen Humor, der mir gefiel. Obwohl Dans Gesicht ziemlich blass war, weil er zu viele Stunden im Büro verbrachte, bewegte er sich gut beim Tennis.
    Vielleicht
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