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 Das Abkommen

Das Abkommen

Titel: Das Abkommen
Autoren: Kyle Mills
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geben eine Menge Wärme ab.«
    »Ja, das kann ich mir gut vorstellen …«
    »Irgendwann bin ich dann in einen Zug gestiegen und nach Skandinavien gefahren. Bist du schon mal in Kopenhagen gewesen?«
    Ein Mann in einem Superman-Kostüm kletterte auf einen Billardtisch und sprang in die Menge auf der Tanzfläche. Ich sah zu, wie er von ausgestreckten Händen weitergetragen und dann neben uns auf den Boden geworfen wurde.
    »Dänemark? Nein.«
    »Schönes Land. Nette Leute. Und jeder spricht Englisch, was zur Abwechslung auch ganz nett war. Aber es ist verdammt teuer. Ich bin nur ein paar Tage geblieben und hab mich dann wieder auf den Weg in den Süden gemacht. Anschließend hab ich mich einen Monat lang einfach so treiben lassen, bis ich irgendwann mein Rad an meine Familie zurückgeschickt hab und nach Asien geflogen bin. Bist du schon mal in Thailand gewesen?«
    »Nein, noch nie.«
    »Wahnsinnig exotisch. Du musst unbedingt mal dorthin. Tolles Essen, und spottbillig noch dazu.«
    »Irgendwann werde ich es sicher mal schaffen. Wenn ich mal Zeit habe.«
    »Das ist das Problem. Sie nehmen einen ziemlich hart ran«, sagte sie, während sie sich noch etwas weiter zu mir beugte. »Ich bin erst seit sechs Monaten in der Firma, und es fällt mir schwer, mich an einen festen Rhythmus zu gewöhnen, nachdem ich so lange unterwegs gewesen bin. In welcher Abteilung arbeitest du denn? Ich hab dich noch nie gesehen … Wenn du mir mal über den Weg gelaufen wärst, wüsste ich das garantiert noch.«
    Ich brachte es fertig, nicht zusammenzuzucken, als die Muskeln in meinem Nacken sich verkrampften. Sollte das etwa heißen, dass sie sich für mich interessierte?
    Das Mädchen war schön, intelligent, trug seinen Nasenring mit Grazie, erzählte Witze über Tolstoj, die tatsächlich lustig waren, und unterhielt sich mit mir und nicht mit einem der etwa hundert anderen Männer, die hier auf Beutefang waren. Das war eindeutig zu viel Druck für mich.
    Sie lächelte und zeigte dabei zwei Zahnreihen, denen man das Vermögen ansah, das ihre Eltern dafür ausgegeben hatten. »Doch, an dich würde ich mich mit Sicherheit erinnern.«
    Der erste Eindruck von mir variierte, je nachdem, mit wem ich es gerade zu tun hatte. Ich bin etwas über eins fünfundneunzig groß, mit breiten Schultern und einer schmalen, deutlich ausgeprägten Taille, bei der sich meine mehr oder weniger sitzende Lebensweise noch nicht bemerkbar gemacht hatte. Dieser Körperbau rief abwechselnd sinnliche Begierde, Neid und Einschüchterung hervor.
    Hellblonde Haare, blasse Haut, die keine Sonne zu sehen bekam, und Zähne, die trotz aller Anstrengungen meinerseits unnatürlich weiß wirkten, provozierten Vergleiche mit Engeln und Nazis, die sich ungefähr die Waage hielten.
    Ich hatte die schlechte Angewohnheit, bei Gesprächen so gut wie nie Augenkontakt herzustellen, was einige Leute denken ließ, ich wäre schüchtern, doch die meisten warfen mir Arroganz vor.
    »Ich … ähm … ich arbeite gar nicht für die Firma. Ich bin nur mit dem Besitzer befreundet«, stammelte ich, doch dann verfluchte ich mich innerlich wegen meiner Dummheit.
    »Darius? Du kennst Darius? Du bist ein Freund von ihm? Unmöglich!«
    »Na ja, ich kenn ihn ganz gut«, murmelte ich in dem Versuch, mich herauszuwinden.
    Genau genommen war Darius seit der fünften Klasse mein bester Freund. Noch genauer genommen waren wir früher so unzertrennlich, dass Darius mir an die Chico State gefolgt war, obwohl sich die Dekane fast aller Eliteuniversitäten zur Not auch auf den Kopf gestellt hätten, um ihn an eine renommiertere Bildungsinstitution an der Ostküste zu locken.
    Wenn ich ehrlich bin, hatte ich sein Angebot, mich nach Kalifornien zu fahren, nur für eine Ausrede gehalten, um wieder einmal eine seiner kriminellen Eskapaden abzuziehen, die sich dieses Mal über mehrere Staaten erstreckte. Als wir ankamen – im wahrsten Sinne des Wortes nur wenige Stunden vor der Staatsgewalt –, verschwand er einfach und überließ es mir, meine Sachen aus dem Auto zu zerren und nach oben in mein Zimmer im Studentenwohnheim zu tragen. Als er endlich wieder auftauchte, waren ihm Hemd und Strümpfe abhanden gekommen, aber dafür hatte er eine Decke, einen Wecker und ein Vollstipendium für das College.
    Fünf Jahre später, nach viel zu wenigen Seminaren und einem Notendurchschnitt von »ausreichend«, wurde er von den Sicherheitsbeamten des College zum letzten Mal vom Campus eskortiert. Und was tat er? Genau das,
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