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 Das Abkommen

Das Abkommen

Titel: Das Abkommen
Autoren: Kyle Mills
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Augen für ihre perfekten Kurven hatte.
    Als ich mich umdrehte, stieß ich einen Mann hinter mir an, woraufhin der größte Teil seines Biers auf meinem Rücken landete. Da ich ziemlich gute Laune hatte, nahm ich seine Entschuldigung an und sah zur Tanzfläche hin, die so voll war, dass niemand sich allzu weit aus der Vertikalen bewegen konnte. Jedes Mal, wenn sich die Köpfe der Pogotänzer senkten, konnte ich einige Zentimeter nackte Haut hinter der Menge erkennen.
    »Ich bin mir nicht ganz sicher«, schrie ich laut genug, damit sie mich verstand, aber nicht so laut, dass es Speicheltröpfchen auf sie regnete. »Aber ich glaube, es ist eher eine Empfehlung.«
    Sie dachte einen Moment darüber nach. »Und warum?«
    Die Antwort auf diese Frage war vermutlich zu lang und zu kompliziert, um sie unter den aktuellen Umständen verständlich zu machen.
    Vor hundert Jahren war das Haus, in dem wir gerade standen, das imposante Heim eines reichen Plantagenbesitzers gewesen, der immer noch anwesend war – im weißen Anzug abgelichtet auf einer alten Daguerreotypie, die über der Toilette in einem der Badezimmer hing. In seiner Blütezeit war das Haus mit europäischen Möbeln, südamerikanischem Silber und chinesischer Seide eingerichtet gewesen, was alles von ehemaligen Sklaven gepflegt wurde, denen wohl erst so langsam bewusst wurde, dass Freiheit ein weniger greifbares Konzept war als sie ursprünglich gedacht hatten. Die rauschenden Feste, die gern und häufig veranstaltet wurden, sollten die steif und starr durch die Räume wandelnden Gäste aus den besten Familien der Stadt beeindrucken und die soziale Stellung der Gastgeber heben.
    Jetzt war das alles verschwunden und ersetzt worden durch die bereits erwähnte Tonanlage, eine raffinierte Bar, die aus einem alten VW-Bus zusammengeschweißt worden war, fünf Großbildschirme, Konzertscheinwerfer und eine unbestimmte Anzahl schwitzender und gelegentlich auch nackter Leute in den Zwanzigern. Auch den einst so gepflegten Garten hinter dem Haus gab es nicht mehr. Er hatte Platz machen müssen für einen zwanzig Personen fassenden Whirlpool, einen Pool, der aus unerklärlichen Gründen die Form eines Sterns hatte, und einen nicht funktionsfähigen Kran, der in Kürze verhinderte Bungeespringer dazu verleiten würde, sich aus luftiger Höhe auf die Partygäste zu übergeben.
    Ich zuckte mit den Achseln, während das Mädchen und ich der Masse auf der Tanzfläche auswichen, die uns gefährlich nahe kam. Ich hatte ihren Namen nicht verstanden, oder vielleicht hatte ich ihn verstanden, aber schon wieder vergessen. »Ich weiß es nicht. Vielleicht aus Tradition?«
    Sie legte den Kopf schief, was ihren Nasenring hypnotisch aufblitzen ließ, und überlegte, ob ich mich über sie lustig machte.
    Seit fünfzehn Minuten versuchte ich, ihr Alter zu schätzen, aber sie gehörte zu den Frauen, die je nach Gesichtsausdruck einmal älter und dann wieder jünger wirkten. Zurzeit vermutete ich, dass sie ein paar Jahre jünger war als ich. Etwa achtundzwanzig.
    »Du wolltest mir doch von deiner Reise erzählen«, brüllte ich, weil ich unser Gespräch unbedingt auf ein anderes Thema bringen wollte. Zurzeit steuerten wir gerade in eine Richtung, die unweigerlich zu Fragen über den berühmtberüchtigten Eigentümer des Hauses führen würde, was ich unter allen Umständen vermeiden wollte.
    »Nach meinem Abschluss am MIT bin ich ein bisschen rumgereist. Ich hab mir ein Flugticket gekauft, dahin, wo es gerade billig war, und dann bin ich einfach mit meinem Rad losgezogen. In Europa hab ich angefangen … Bist du schon mal in Prag gewesen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wunderschöne Stadt. Außerdem braucht man dort fast kein Geld. Ich bin durch Tschechien geradelt …«
    »Ganz allein?«
    »Ja. Eigentlich wollte ich mit ein paar Freunden zusammen gehen, aber nach dem Studium haben sie dann alle sofort angefangen zu arbeiten und mich im Stich gelassen. Aber das war eigentlich besser. Ich war sozusagen gezwungen, mich kopfüber in die einheimische Kultur zu stürzen. Die Leute dort waren großartig – sie haben mich eingeladen, haben mich in ihrem Haus übernachten lassen … einmal habe ich sogar in einer Scheune bei den Kühen geschlafen.«
    Ich grinste, was vermutlich ziemlich blöd aussah. »Im Ernst? Kühe?«
    »Du brauchst gar nicht zu lachen. Wenn du dich den ganzen Tag im Regen auf deinem Rad abgestrampelt hast, bist du so fertig, dass du dich freiwillig neben eine Kuh legst. Kühe
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