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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia
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spürte einen Druck und ein heißes Prickeln, als sich die Spitze der dolchartigen Schnauze durch die Hose in seine Haut bohrte.
    Es hatte ihn gebissen!
    Er schrie und trat. Er brauchte etwas, um das Monster loszuhebeln, einen Stock, ein Messer, aber da war nichts als das spröde, nutzlose Riedgras.
    Dann ließ die Kreatur urplötzlich von ihm ab – als habe sie etwas Unangenehmes geschmeckt, so jedenfalls kam es Buckley vor – und wieselte ins Unterholz.
    Buckley gewann seine Fassung zurück und wandte sich an die entsetzten Seeleute. Das Bein tat nicht besonders weh. Er holte ein paarmal tief Luft. Wollte den Männern etwas Beruhigendes sagen, ihnen die Angst nehmen. Ehe er die Worte beisammen hatte, wurde ihm schwarz vor Augen…
    Die Männer schleppten ihn zur Barkasse und machten sich auf den Rückweg zur Orgeon. Mit Buckleys Bein gingen sie sehr vorsichtig um, es schwoll bereits an.
     

     
    An diesem Nachmittag stürmten fünf Passagiere der Zweiten Klasse die Brücke und verlangten, dass man sie vom Schiff ließ. Es waren Iren, und sie wussten, was sie sahen. Das war Cork Harbor! Sie hatten Familien im Land und wollten sich auf die Suche machen.
    Kapitän Davies hatte sich den Bericht des Landungskommandos angehört. Er glaubte nicht, dass die Iren weiter als ein paar Yards kamen; sie würden kehrtmachen, wenn nicht irgendwelcher Kreaturen wegen, dann aus Angst und weil sie abergläubisch waren. Er starrte sie an, bis sie verlegen wurden, und überredete sie, unter Deck zu gehen. Das hätte auch anders ausgehen können. Er verteilte Pistolen an seine leitenden Offiziere und fragte den Funker, wann mit dem nächsten Schiff zu rechnen sei.
    »Schon bald, Sir. Ein Frachtschiff der Canadian Pacific ist keine Stunde entfernt.«
    »Sehr gut. Sie könnten ihnen mitteilen, dass es eilt… und was sie hier erwartet.«
    »Ja, Sir. Aber…«
    »Aber was?«
    »Was soll ich denen sagen, Sir? Ich blicke selbst nicht durch.«
    Davies legte dem Funker die Hand auf die Schulter. »Das hier versteht keiner. Ich setze die Nachricht selbst auf.«
     

     
    Rafe Buckley hatte Fieber, doch bis zum Dinner war die Schwellung zurückgegangen. Er konnte gehen, und er wollte es sich nicht nehmen lassen, der Einladung des Kapitäns zu folgen und an dessen Tisch Platz zu nehmen.
    Buckley aß nur wenig, schwitzte fürchterlich und war zu Davies’ Enttäuschung nicht besonders gesprächig. Davies hätte gerne mehr über das gehört, was die Schiffsoffiziere bereits die ›Neue Welt‹ nannten. Buckley hatte nicht nur den Fuß in diese Fremde gesetzt, eine ihrer Lebensformen hatte von ihm gekostet.
    Buckley hatte sein Roastbeef noch nicht aufgegessen, als er verstört vom Tisch aufstand und ins Krankenrevier zurückkehrte, wo er zur Verwunderung des Kapitäns um 00.30 Uhr plötzlich verstarb. Leberschaden, mutmaßte der Schiffsarzt. Vielleicht ein unbekanntes Gift. Schwer zu sagen vor der Autopsie.
    Es war wie in einem Traum, dachte Davies, einem merkwürdigen und schrecklichen Traum. Er setzte die Schiffe, die nach und nach Queenstown, Liverpool und die französischen Häfen anliefen, telegraphisch vom Tod seines Ersten Offiziers in Kenntnis und warnte eindringlich davor, ohne Wasserstiefel und Seitenwaffe an Land zu gehen.
    Als sich aus dem Wust an Telegrammen und Warnungen die ganze Ungeheuerlichkeit des Geschehenen abzuzeichnen begann, schickte White Star von Halifax und New York aus Kohlen- und Versorgungsschiffe auf den Weg.
    Nicht bloß Queenstown war abhanden gekommen; es gab kein Irland, kein England, kein Frankreich und kein Deutschland und kein Italien mehr… nur noch Wildnis nördlich von Kairo und gen Osten mindestens bis zur russischen Steppe, als habe man ein Stück des Planeten herausgeschnitten und ihm irgendeinen fremden Organismus aufgepfropft.
    Davies schickte ein Telegramm nach Maine, an Rafe Buckleys Vater. Eine schreckliche Pflicht, dachte er, doch der Mann würde nicht allein bleiben mit seiner Trauer. Nicht lange und die ganze Welt würde trauern.

 
    1912: AUGUST
     
    Später – in der schlimmen Zeit, als die Zahl der Armen und Obdachlosen so dramatisch stieg, als Kohle und Öl so teuer wurden, als es zu Hungertumulten im Common [6] kam und Guilfords Mutter und seine Schwester die Stadt verließen, um auf unbestimmte Zeit bei einer Tante in Minnesota zu leben – da musste Guilford oft mit, wenn sein Vater in die Druckerei ging.
    Den Jungen sich selbst überlassen, das wollte sein Vater nicht, und die Schule
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