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Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Titel: Darwin und die Götter der Scheibenwelt
Autoren: Terry Pratchett , Ian Stewart , Jack Cohen , Erik Simon
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könnte, und zwar in das ›Argument des Entwurfes‹.* [* Es heißt so, weil es vom Phänomen des Entwurfs ausgeht und daraus auf die Existenz eines kosmischen Entwerfers schließt.] Das Weltall ist Ehrfurcht gebietend in seinen Ausmaßen, erstaunlich in seiner Komplexität. Jeder Teil davon passt genau zu jedem anderen Teil. Nehmen Sie die Ameise, den Ameisenlöwen und das Löwenmaul. Jedes ist perfekt an seine Rolle (oder seinen ›Zweck‹) angepasst. Die Ameise ist dazu da, vom Ameisenlöwen gefressen zu werden, der Ameisenlöwe dazu, Ameisen zu fressen, und das Löwenmaul … nun ja, Bienen mögen es, und das ist gut. Jeder Organismus weist deutliche Indizien für einen ›Entwurf‹ auf, als sei er speziell erschaffen worden, um einen Zweck zu erfüllen. Ameisen haben gerade die richtige Größe, um von Ameisenlöwen gefressen zu werden, Ameisenlöwen haben die geeigneten Gliedmaßen, um Sandtrichter zu graben, in die die Ameisen fallen. Das Löwenmaul hat genau die richtige Form, um von Bienen befruchtet zu werden. Und wenn wir einen Entwurf sehen, kann der Entwerfer gewiss nicht weit sein.
    Viele Leute finden dieses Argument einleuchtend, vor allem dann, wenn es ausführlich und in allen Einzelheiten dargelegt und der ›Entwerfer‹ ganz groß geschrieben wird. Doch Darwins ›gefährliche Idee‹, wie Daniel Dennett sie im gleichnamigen Buch* [* D. Dennett: Darwin’s Dangerous Idea (deutsch Darwins gefährliches Erbe , 1997).] genannt hat, wirft eine Menge Sand ins Getriebe des kosmischen Entwurfs. Sie bietet einen alternativen, sehr einleuchtenden und scheinbar einfachen Prozess, in dem für einen Entwurf kein Platz ist und für einen Entwerfer keine Notwendigkeit besteht. Darwin nannte diesen Prozess ›natürliche Auslese‹ bzw. ›natürliche Zuchtwahl‹* [* Die deutschen Übersetzungen von Darwins Entstehung der Arten verwenden den alten Begriff ›Zuchtwahl‹, was auch zum ursprünglichen Gedankengang Darwins passt; im allgemeineren Kontext der Evolution spricht man aber seit langem eher von ›Auslese‹ oder ›Selektion‹. – Anm. d. Übers. ], wir sprechen heute von ›Evolution‹.
    An der Evolution gibt es vieles, was die Wissenschaftler noch nicht verstehen. Die Einzelheiten, die hinter Darwins Theorie stehen, sind immer noch Glückssache, und jedes Jahr verschieben sich Meinungen, wenn die Wissenschaftler versuchen, ihr Verständnis zu vertiefen. Die Bewohner des Bible Belt verstehen von Evolution noch viel weniger, und für gewöhnlich verzerren sie sie zu ›blindem Zufall‹. Ihnen ist nicht im Mindesten daran gelegen, ihr Verständnis zu vertiefen. Aber sie verstehen viel besser als die kraftlosen Europäer, dass die Evolutionstheorie ein sehr gefährlicher Angriff auf die Psychologie religiösen Glaubens ist. Nicht auf dessen Substanz (denn alles, was die Wissenschaft entdeckt, kann der Gottheit zugeschrieben und als Mechanismus betrachtet werden, wie Er die zugehörigen Ereignisse geschehen lässt), wohl aber auf seine Haltung. Wenn Gott erst einmal vom tagtäglichen Betrieb der Welt losgelöst und irgendwo hinter der DNS-Biochemie und dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik untergebracht wird, ist es nicht mehr so offensichtlich, dass Er von grundlegender Bedeutung für das Leben der Menschen sein muss. Vor allem gibt es keinen besonderen Grund mehr zu glauben, dass Er überhaupt irgendwie auf das Leben der Menschen einwirkt oder dies auch nur will, sodass die fundamentalistischen Prediger durchaus arbeitslos werden könnten. Und daher kann das Fehlen eines Nobelpreises für Darwin ein Diskussionsgegenstand im amerikanischen Regionalfunk sein. Es ist auch die allgemeine Richtung, in der sich Darwins eigenes Denken entwickelte – er begann sein Erwachsenenleben als Theologiestudent und beschloss es als etwas gequälter Agnostiker.
    Von außen – und erst recht von innen – sieht der Prozess wissenschaftlicher Forschung ungeordnet und verwirrend aus. Man ist versucht zu glauben, Wissenschaftler seien selber unordentlich und verwirrt. In gewisser Hinsicht sind sie es – das gehört zur Forschung. Wenn man wüsste, was man tut, wäre es keine Forschung. Aber das ist nur eine Entschuldigung, und es gibt bessere Gründe, warum man diese Art von Verwirrung erwarten, ja sogar wertschätzen sollte. Der beste Grund lautet, dass es eine äußerst wirksame Methode ist, die Welt zu verstehen, und zwar so, dass man diesem Verständnis recht gut trauen darf.
    In ihrem Buch Verteidigung
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