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Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)

Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)

Titel: Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
Autoren: Dr. Josephine Chaos
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gesichert vor dem Zutritt unerwünschter Besucher. Das Erste, was nach Überwindung dieses Schutzwalles und dem Betreten der tagsüber lichtdurchfluteten Kreißsaallandschaft ins Auge sticht, ist der allseits nur »Aquarium« genannte Überwachungsraum, hinter dessen deckenhoher Glasfront ein riesengroßer Bildschirm lindgrün in die Nacht hineinleuchtet. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass hier mitnichten dröges Privatfernsehen übertragen wird, nein: Hier werden auf grünkariertem Hintergrund brav und zuverlässig alle Herztongebirge empfangen, die in den jeweiligen Kreißsälen gerade aufgezeichnet werden. Der neudeutsch »CTG« – Abkürzung für »Cardiotokografie« – genannte Wehenschreiber leitet die Herztöne des ungeborenen Kindes über eine Art Empfangsknopf, der auf der Bauchdecke der Mutter liegt, weiter an eine Maschine, die diese Herztöne dann als krakelige Endloszeichnung auf ebenso endlose Papierschlangen malt. Und anhand dieses Gekrakels wiederum kann dann der Arzt oder die Hebamme sagen, ob es dem Kindelein im Bauch noch gutgeht oder nicht. Zumindest die meisten Ärzte und Hebammen können das.
    2 . 57  Uhr – Aquarium
    Soli, meine lockige Mittelmeerhebamme, steht gerade Pralinen vernichtend im Aquarium herum, schielt mit einem Auge aufmerksam nach dem lindgrünen Monitorgekrakel, während sie mir wild kauend von ihrer neuesten Patientin erzählt.
    Frau Pharma ist eine zweiunddreißigjährige Apothekerin, gerade schwanger mit dem dritten Kind, die zuvor normal entbunden hat und deswegen jetzt wohl auch den sagenhaften Ausgangsbefund von neun Zentimetern Muttermundsweite präsentiert. Das macht mich sehr glücklich! Eine Frau, die schon mehrmals auf normalem Wege entbunden hat, wird aller Voraussicht nach immer und immer wieder normal gebären. Wovon bei der ersten Geburt nicht immer auszugehen ist. Denn erste Geburten ähneln einem Abenteuerurlaub durch die Wüste. Der kann ganz prima werden, wenn die Wüste klein und die äußeren Bedingungen gut sind: Also eine Oase alle paar hundert Meter, ein erfahrener Wüstenführer, drei bis vier frische Kamele, und fertig ist die Laube. Auf diese Weise kommt man dann entspannt und mit jeder Menge schöner Fotos irgendwann in Las Vegas an und kann bis an sein Lebensende tolle Geschichten von dieser sagenhaften Wüstentour erzählen.
    Ganz anders jedoch, wenn die erste Reise statt durch Amerikas kleine Mojave-Wüste durch Afrikas gigantische Sahara führt, dein einziges Kamel kurz nach Aufbruch verreckt, dein Führer inkompetent und die nächste Oase unfassbar weit weg ist. Da wird so eine Tour schnell mal zum Katastrophentrip.
    Frau Pharma gehört definitiv ins Mojave-Bild – bei einer Dritt-Gebärenden kann die Tour jeden Moment und ohne Komplikationen beginnen. Deshalb fährt Soli auch schon mal den schnellen Brüter hoch, das ist die Baby-Wärmelampe im Kreißsaal, damit Frau Pharma während der letzten Phase der Entbindung nicht alleine schwitzen muss. Und ich pfeife mir noch fix ein paar Haribos auf Schokokeks rein. Es entbindet sich morgens um 3 Uhr einfach angenehmer, wenn zwischen zwei Presswehen nicht ständig der Magen knurrt. Tatsächlich kaue ich ein wenig misstrauisch auf meinem Gummi-Keks-Gemisch herum, in Erwartung etwaiger Anzeichen erneuter Übelkeit. Doch diese bleiben – oh Wunder – aus und aller Süßkram drin. Hurra!
    Herzlichen Glückwunsch, Josephine, wenn so nun der Speiseplan für die nächsten acht Monate aussieht, brauchst du nach der Geburt von Kind Nummer vier dringend ein Weight-Watchers-Abonnement …

    Der Zeiger der Kreißsaaluhr ist mittlerweile auf 3.45 Uhr vorgerückt, und noch immer sitze ich erwartungsfroh im Aquarium herum, in der Hoffnung, dass doch langsam mal etwas passiert. Der Wehenschreiber krakelt unterdessen malerische Herztongebirge und sanfte Wehenhügel über unendliches Grünkariert, während das leichtfüßige, kindliche Herzton-Getrappel immer häufiger von flotten hundertfünfzig auf mäßige unter einhundert Schläge pro Minute herunterbremst – in der Endphase einer Geburt stets das Zeichen für »Jetzt wird’s gleich spannend!« . Der Trick an dieser ganzen Herzton-Kaffeesatzleserei ist nämlich folgender: Solange medizinisch gesehen alles in Ordnung ist, das Kind fledermausartig kopfunter im warmen Fruchtwasser vor sich hindümpelt und nur noch auf den richtigen Moment der Geburt wartet, bewegt sich seine Herzfrequenz irgendwo zwischen hundert und hundertfünfzig Schlägen
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