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Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)

Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)

Titel: Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
Autoren: Dr. Josephine Chaos
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Hebammen, Kollegen, dem Chef (!), der Verantwortung, dem Jüngsten Gericht, dem Nachtdienst, dem Weltuntergang und – ganz sicher auch vor seinem eigenen Schatten!
    Angst ist immer in ihren großen, rehbraunen Augen zu lesen. Sie dringt aus jeder Pore und steht in großen Schweißperlen auf ihrer Stirn. Bambis Angst vor der Welt im Allgemeinen und der Medizin im Speziellen macht es ihr leider auch unmöglich, selbständig irgendeine Entscheidung zu treffen – und sei es nur die zwischen Menü I oder II in der Kantine. Das Bambi ist zwar lieb, kollegial und garantiert stets redlich bemüht, aber im täglichen Kampf des Alltags leider völlig nutzlos.

    Apropos nutzlos: Die personifizierte Unkollegialität hat einen Namen. FRED VOM JUPITER! Dieser Kerl ist das Kollegenschwein par excellence – unfreundlich, unzugänglich, unzuverlässig und obendrein unfassbar inkompetent. Fred fühlt sich prinzipiell für nichts zuständig – weder für Patientinnen, Bürokratismus oder OPs, noch für Geburten, Ambulanzarbeit oder Klinikbürokram. Aber in erster Linie fühlt sich Fred nicht zuständig für Dienste. Das ist mal klar. Doch davon später mehr.

    Ich bekomme die üblich knackige »Wir wollen schnell nach Hause«-Übergabe: Fred ist bereits gegangen, Jeannie zieht sich gelangweilt ihre Lippen in Lasziv-Dunkelrot nach, und Bambi rasselt in einem Mördertempo alle noch zu erledigenden Dinge runter, während ihr der Angstschweiß glänzend den Hals hinunterläuft. Bloß nichts vergessen – bloß nichts vergessen! , sehe ich den imaginären Banner vor ihrem geistigen Auge entlangziehen.
    Und dann sind plötzlich alle verschwunden.
    Weg.
    Ruhe.
    Ich lass mich erst einmal völlig fertig auf die muffige Krankenhausdecke unseres Dienstbettes fallen, schließe nur für ein Sekündchen die Augen – und bin umgehend eingeschlafen. Nun ist ja aber prinzipiell mit Beendigung des normalen Tagesgeschäfts nicht automatisch alle Arbeit getan – ganz im Gegenteil: Patienten haben Schmerzen oder Fieber oder Sodbrennen und müssen Anti-Schmerz-, -Fieber- oder -Sodbrennen-Medikamente bekommen. Andere Menschen, die erst um 17.03 Uhr bemerken, dass sie eine Blasenentzündung, Bauchschmerzen oder Schweißfüße haben, kommen in unsere Notfallambulanz und wollen geheilt werden. Und dann wollen auch noch Babys geboren werden, weshalb ihre Mütter wegen einsetzender Wehen oder geplatzter Fruchtblasen in meinem Kreißsaal auflaufen. Gerne auch mitten in der Nacht. Und so ist eigentlich immer irgendetwas zu tun für den armen, einsamen Arzt vom Dienst.
    Aber heute ist alles irgendwie anders – denn kein Mensch will etwas von mir. Unfassbare elf Stunden lang! Und so ist es tatsächlich schon fast 3.00 Uhr morgens, als mich O Sole Mia doch noch telefonisch aus komatösem Frühschwangerschaftsschlaf klingelt.
    O Sole Mia – auch zärtlich »Soli« genannt, zweitdienstälteste Hebamme hinter Oberhemma O-Helga, ist eine winzige Italienerin mit einem Wust grauer Ringellöckchen und dem sprichwörtlich mediterranen Temperament. Obendrein die Person, vor der ich mich augenblicklich am meisten fürchte, denn Solis Hebammen-Scan-Blick ist beinahe noch legendärer als die hellseherischen Fähigkeiten meines Mannes – beide können Schwangerschaften meilenweit gegen den Wind riechen. Und dabei habe ich doch selbst noch gar nicht wirklich verstanden, dass ich tatsächlich wieder schwanger bin! Menno!
    Soli berichtet mir also zackig von einer schwangeren Frau mit regelmäßiger Wehentätigkeit und fragt, ob ich ihr denn – bitte, danke – guten Morgen sagen wolle.
    Ja, ich will. Und lege auf. Dann stehe ich erst einmal wankend wie Weizen im Wind vorm Dienstbett – so ein frühschwangerer Kreislauf lässt einen nämlich gern mal geschmeidig zu Boden gehen. Aber siehe da: Nach zehn Sekunden lässt der Wind nach, und ich stehe fest und erstaunlich unübel im Raum.
    Gut. Ich sollte die nächsten Monate vielleicht ausschließlich nachts arbeiten …

    Der Kreißsaal unserer Klinik befindet sich im ersten Stock des Gebäudes, umgeben vom Operationstrakt zur Linken, der Wöchnerinnenstation zur Rechten und dem Kinderzimmer, von wo gerade mehrstimmiges Säuglingsgeschrei ertönt. Instinktiv fasse ich mir an den Busen. Jetzt bloß keinen Milcheinschuss bekommen! Dann kannst du dir auch gleich »Schwanger!« auf die Stirn tätowieren lassen!

    Hermetisch abgeriegelt liegt das Reich der Hebammen hinter zwei Schnappschloss-Glastüren, gut
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