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Dann eben nicht, Jeeves

Dann eben nicht, Jeeves

Titel: Dann eben nicht, Jeeves
Autoren: P. G. Wodehouse
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Psychologie zu tun, hat er gesagt.«
    Es gab mal eine Zeit, da hätte ich bei so was nur Bahnhof verstanden, aber langjähriger Umgang mit Jeeves hat den Woosterschen Wortschatz erheblich erweitert. In puncto Individualpsychologie war Jeeves schon immer unschlagbar, und wenn er jetzt mit diesen Begriffen um sich wirft, schalte ich sofort.
    »Ach so, Psychologie?«
    »Ja. Jeeves meint, daß Kleidungsstücke eine Tiefenwirkung erzielen. Ein auffälliges Kostüm wie dieses, sagt er, könnte mein Selbstvertrauen stärken. Ich hätte auch als Piratenhäuptling gehen können. Piratenhäuptling war sogar sein erster Vorschlag, aber ich hatte was gegen die Stiefel.«
    Das konnte ich verstehen. Das Leben ist schon deprimierend genug, auch ohne daß Menschen wie Gussie Fink-Nottle in Seemannsstiefeln herumstaksen.
    »Na und, hast du jetzt ein gestärktes Selbstvertrauen?«
    »Also, ganz ehrlich gesagt, Bertie, alter Junge: nein.«
    Eine Welle des Mitgefühls überflutete mich. Wenn wir uns auch in letzter Zeit nicht mehr oft gesehen hatten, so durfte man doch nicht vergessen, daß dieser Mann und ich uns einst mit in Tinte getauchten Papierkügelchen beworfen hatten.
    »Gussie«, sagte ich, »hör auf einen alten Freund und laß dich bei diesem Ringelpiez nicht blicken.«
    »Aber das ist für mich die letzte Gelegenheit, sie zu sehen. Morgen fährt sie zu irgendwelchen Bekannten aufs Land. Außerdem kann man doch nicht wissen.«
    »Was kann man nicht wissen?«
    »Ob Jeeves’ Idee nicht doch funktioniert. Zugegeben, ich komme mir im Augenblick entsetzlich blöd vor, aber wer weiß, ob sich das nicht gibt, wenn ich erst mal mit einem Haufen von anderen Kostümierten zusammen bin. Das ist mir früher bei einem Kindergeburtstag schon mal so gegangen. Da haben sie mich als Häschen zurechtgemacht, und ich habe mich wahnsinnig geniert. Aber als ich hinkam und plötzlich von Dutzenden anderer Kinder umringt war, von denen eins gräßlicher kostümiert war als das andere, wurde ich wieder ganz vergnügt, mischte mich zwanglos unter die Anwesenden und aß mit so großem Appetit, daß ich mich auf dem Heimweg zweimal im Taxi übergeben habe. Damit will ich sagen, daß man so was nie vorhersagen kann.«
    Ich dachte nach. Da war natürlich was dran.
    »Und es läßt sich nicht bestreiten, daß Jeeves’ Gedanke im Grunde richtig ist. Mit meinem eindrucksvollen Kostüm als Mephisto komme ich vielleicht wirklich groß an. Farbe macht ja so viel aus. Nimm mal zum Beispiel Molche. Während der Paarungszeit ist das Molchmännchen auffällig gefärbt. Das hilft ihm enorm.«
    »Aber du bist schließlich kein Molchmännchen.«
    »Ich wünschte, ich wäre eins. Weißt du, was das Molchmännchen bei der Brautwerbung macht, Bertie? Es stellt sich einfach vor dem Weibchen auf und wackelt mit dem Hinterteil, während es sich weit nach hinten beugt. Das wäre für mich eine Kleinigkeit. Nein, wenn ich ein Molchmännchen wäre, hätte ich es einfacher.«
    »Aber wenn du ein Molchmännchen wärst, würde Madeline Bassett dich nicht ansehen. Jedenfalls nicht mit verliebten Augen.«
    »Doch, wenn sie ein Molchweibchen wäre.«
    »Aber sie ist kein Molchweibchen.«
    »Nein, aber mal angenommen.«
    »Na, und wenn sie eins wäre, dann wärst du nicht in sie verliebt.«
    »Doch, wenn ich ein Molchmännchen wäre.«
    Ein leichtes Pochen in der Schläfengegend sagte mir, daß es an der Zeit war, dieser Diskussion ein Ende zu machen.
    »Na, egal«, sagte ich, »kommen wir mal auf den Boden der Tatsachen zurück und lassen wir diese Visionen von wackelnden Hinterteilen und so weiter. Der springende Punkt ist doch der, daß du auf einem Maskenball erwartet wirst, und nach meinen vielfältigen Erfahrungen mit Maskenbällen, mein lieber Gussie, kann ich dir versichern, daß du dich dort nicht wohl fühlen wirst.«
    »Es geht hier nicht ums Wohlfühlen.«
    »Du solltest lieber nicht gehen.«
    »Ich muß gehen. Ich sage dir doch, daß sie morgen aufs Land fährt.«
    Ich gab es auf.
    »Sei’s drum«, sagte ich. »Wie du willst … Ja, Jeeves?«
    »Mr. Fink-Nottles Taxi, Sir.«
    »Was? Ach, das Taxi? … Dein Taxi, Gussie.«
    »Ach, mein Taxi? Ja, richtig. Natürlich, gewiß … Danke, Jeeves … Na, also dann, Bertie.«
    Und er warf mir ein schwaches Lächeln zu, wie es die Gladiatoren dem Kaiser zuwarfen, bevor sie in die Arena traten, und dann verschwand Gussie von der Bildfläche. Ich wandte mich Jeeves zu. Dies war der richtige Zeitpunkt, um ihn in seine
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