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Damiano

Damiano

Titel: Damiano
Autoren: R. A. MacAcoy
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sanft und blumig wie die einer klumpfüßigen Kuh. Und was sein Leben angeht – sein Leben besteht darin, Unterricht zu nehmen. In der Zauberkunst, in der Musik. Das tut er seit nunmehr einundzwanzig Jahren.«
    Raphael wurde ernst. »Du bist sehr hart zu dir. Bedenke, daß der erbarmungsloseste Kritiker auf Erden mein Bruder ist, und seine Spezialität ist das Lügen. Ich persönlich mag Damianos Spiel.«
    Er reichte Damiano die Laute hin, und er nahm sie und streichelte sie zerstreut. Ihm wurde immer unbehaglich zumute, wenn Raphael von seinem Bruder, dem Fürsten der Finsternis, zu sprechen begann.
    »Wenn du deine Studien fortsetzt«, fuhr der Engel fort, »wirst du vermutlich ein Gehör entwickeln, mit dem du dich selbst hören kannst wie ich.«
    »Ich wußte doch, daß meine Studien einen Grund haben«, brummte Damiano. »Und wenn auch nur, damit ich mir einmal zuhören kann, ohne daß mir dabei die Ohren schmerzen.«
    Er verstummte und lauschte dem fernen, geisterhaften Donnern der Belagerungsmaschinen, das im großen Saal widerhallte. Die Deckel der eisernen Tiegel und Töpfe auf dem Herd klirrten.
    Der Engel schien davon nichts wahrzunehmen.
    »Ich dachte, damit wäre Schluß«, murmelte Damiano mit gefurchter Stirn. »Am letzten Dienstag schlichen sich die Männer von Savoyen zwischen Mitternacht und Morgengrauen aus Partestrada. Die Bürger, die sie zurückgelassen haben, sind nicht in der Lage zu kämpfen.«
    Raphael schien dem kahlen Saal seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken.
    »Es sind keine Kampfgeräusche, die du hörst, Dami. Pardos Rammböcke reißen die Mauern außerhalb der Stadt ein.«
    »Wessen Mauern? Welche Mauern? Warum?«
    Damiano sprang auf und zwängte seine Schultern in den schmalen Spalt eines Fensters. Einem kräftigeren Mann wäre das nicht möglich gewesen. Die Mauer war beinahe sechzig Zentimeter dick, denn das Haus der Delstrego war als Festung gebaut worden.
    Damiano streckte den Kopf nach links und spähte die Hauptstraße von Partestrada entlang. Von diesem besonderen Fenster aus konnte er mit etwas Anstrengung und gutem Willen um die Ecke sehen zur Vorderfront von Carla Denezzis Haus, wo sie bei gutem Wetter auf dem Balkon saß und ihre feine Handarbeit fertigte. Damiano hatte Übung in dieser etwas verzwickten Halsdrehung. Er wendete sie immer an, wenn er wissen wollte, ob er besser zu Hause bleiben oder sich hinauswagen sollte.
    An diesem Tag war der Balkon verlassen und die Holzläden waren geschlossen. Auch die Straße lag öde und verlassen da. Nicht ein Mann, nicht eine Frau, kein Ochsenkarren, kein streunender Esel, nichts derlei war zu sehen. Die Stadt roch nicht einmal so wie sonst, dachte er, während er die Luft durch die Nase einsog. Sie stank nicht nach Urin, Paprika, Schweinen, Schafen, Menschen- und Pferdeschweiß; er konnte nicht einen der tröstlichen Gerüche wahrnehmen, die ihm die Heimat bedeuteten. Die Straßen rochen so verbrannt wie die Luft um eine Schmiede. Er hob den Blick zu den fernen Feldern und Wäldern jenseits der Stadtmauer, deren Farben in der Novemberluft von Braun zu Grau und Lavendelblau verblichen. Er kniff angestrengt die Augen zusammen, denn in die Ferne sah er nicht allzu gut. Aus Gewohnheit griff er unter sich, tastete die Wand entlang, und seine Hand kroch über die glatten Kacheln, bis sie seinen Stab fand.
    Es war nicht der traditionelle Magierstab; er war weder braun noch auf malerische Weise knorrig. Damianos Stab war aus Ebenholz und kerzengerade, an drei Stellen von Silberreifen umringt. Oben zierte ihn ein silberner Knauf mit fünf Topasen und einem kleinen Rubin; Rot und Gold waren die Farben der Delstregos. Damiano hatte den Stab von seinem Vater erhalten, als er zwölf Jahre alt gewesen war – seine Körpergröße hatte damals gerade bis zum zweiten silbernen Ring gereicht. Heute, neun Jahre später, war der Stab noch immer ein wenig länger als Damiano, da dieser die Erwartung Delstregos auf einen hochgewachsenen Sohn nicht erfüllt hatte.
    Der Stab war für Damiano so wichtig wie Krücken für einen Lahmen, obwohl Damiano zwei flinke, junge Beine hatte. Er war sein Zauberinstrument, auf ihm spielte er weit geschickter als auf seiner Laute. Außerdem glaubte er, obwohl er niemals einen entsprechenden Zauber verhängt hatte, mit dem Stab in der Hand besser sehen zu können. Darum hielt er ihn jetzt umfaßt.
    »Die Mauer gehört einem Mann namens Francesco Alusto«, vernahm er den Engel, dessen leise Stimme mühelos durch
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