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Cyboria - Die geheime Stadt

Cyboria - Die geheime Stadt

Titel: Cyboria - Die geheime Stadt
Autoren: P. D. Baccalario
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großer, glatzköpfiger Mann tauchte auf, ganz in Schwarz gekleidet, die Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen. Er sagte: »Der Wagen steht bereit, gnädiger Herr.«
    Der Conte nickte. »Danke, Calibano.« Er nahm den Zeigefinger vom Globus und setzte ihn wie einen Revolverlauf auf Ottos Stirn. »Ruf mich an, wenn sich etwas Neues ergibt«, zischte er und wandte sich zum Gehen. Seine Absätze klapperten auf dem Boden. »Wir sehen uns, mein Kleiner.«
    Otto blieb regungslos neben dem Globus stehen, sein Herz klopfte bis zum Hals. Er wartete, bis er allein war, dann schlug er mit der flachen Hand gegen das Bücherregal neben sich und fluchte: »Ein verdammtes, arrogantes, aufgeblasenes Arschloch, das bist du und nichts anderes!«
    Er ließ sich auf das Ledersofa fallen. Jetzt brachen alle Dämme, Tränen strömten über sein Gesicht.
    Er weinte lange.

16
Die Schachtel
    D rei Tage.
    Die folgenden drei Tage verbrachte Otto wie im Schwebezustand. Die Leere, die der Tod seines Großvaters hinterlassen hatte, ließ ihn nicht los. Es gab nichts, was ihn hätte ängstigen können und nichts, was ihn interessierte. Sogar seine Verfolger auf ihren Mofas ließen ihn in Frieden, als hätten sie verstanden, dass er eine Schonfrist brauchte.
    Auf seinem quietschenden und rasselnden Fahrrad fuhr Otto von zu Hause in die Schule und von der Schule zurück nach Hause, ohne dass es jemand wagte, sich ihm zu nähern. Niemand fragte, niemand sprach ihn an. Alles ging an ihm vorbei.
    Nachts träumte er von seinem Großvater, frühmorgens schreckte er aus dem Schlaf, die Worte des Conte in den Ohren.
    Mindestens dreißig Mal hatte er in der Bibliothek nachgesehen, ob auch ja nichts fehlte.
    Im Garten betrachtete er die Eidechsen, die sich auf den Mauern sonnten.
    Fünf Tage nach der Beerdigung kam der Anwalt seines Großvaters mit der Vespa angefahren. Er war um die dreißig, seine Haare waren vom Helm ganz platt gedrückt, und er hatte eine große lederne Umhängetasche bei sich. Er kam gleich zur Sache. »Du musst Otto sein …«, begrüßte er ihn herzlich und bockte die Vespa auf.
    »Und Sie Avvocato Ranieri …«, antwortete der Junge und sah erst den Anwalt an und dann die Vespa. Sie war nicht gerade das allerneueste Modell.
    »Eine alte Kiste aus den Siebzigern, mein Vater ist schon damit gefahren«, erzählte der Anwalt, »aber jeder hat eben so seine Leidenschaften, nicht wahr?«
    »Ich finde sie toll«, gestand Otto, der mit Expertenblick die gedrungene Form des Rollers und die 5-Gang-Handschaltung in Augenschein nahm. Für ihn war völlig klar, warum sein Großvater diesen Anwalt genommen hatte.
    »Magst du Vespas?«
    »Ehrlich gesagt, ja«, antwortete Otto, »mich interessiert alles, was einen Motor hat.«
    »Wenn du Lust hast, können wir gerne mal eine Runde drehen.«
    Otto kratzte sich am Kopf. »Lieber nicht, ich glaube, meine Mutter wäre nicht so begeistert …«
    Und vor allem kann ich meinen Großvater nicht mehr um Erlaubnis bitten , fügte er in Gedanken hinzu.
    Sie gingen in die achteckige Bibliothek, wo sie auf Ottos Eltern trafen. Seine Mutter Carlotta war stark geschminkt, aber nicht stark genug, um ihr trauriges Gesicht zu verbergen. Sein Vater Sisifo sah aus wie aus dem Ei gepellt, als käme er direkt aus dem Büro (wer weiß, vielleicht war es ja auch so): blauer Anzug, gelb getupfte Krawatte. Als wollte er den Anwalt fragen, welche Banktransaktion denn geplant sei.
    Sie nahmen Platz, und Carlotta brachte ein Tablett mit Gläsern und einer Karaffe Eistee herein.
    »Es tut mir sehr leid, dass der Grund meines Kommens ein so trauriger ist«, begann der Anwalt, nachdem er einen Schluck Eistee getrunken hatte, »noch dazu in diesem wunderbaren altehrwürdigen Haus. Aber das ist nun mal mein Job, und deshalb …«
    Er öffnete die Tasche.
    Carlotta sah erst ihren Mann, dann ihren Sohn an: »Otto, vielleicht wäre es besser, wenn du …«
    »Nein«, schaltete sich Ranieri ein, »ich denke, es ist besser, wenn der Junge hierbleibt. Das war der Wunsch seines Großvaters.« Dann zog er ein Bündel versiegelter Umschläge heraus, öffnete einen davon mit dem Brieföffner, der neben ihm auf dem Tisch lag, und zog zwei maschinengeschriebene Blätter heraus.
    Otto hatte seinen Vater bis zu diesem Tag noch nie weinen sehen, aber jetzt hatte er den Eindruck, dass Sisifos Augen feucht waren. Mit seinem aufmerksamen Blick hatte er die Handschrift auf dem Umschlag und die Type der Schreibmaschine erkannt. Eine
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