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Cyboria - Die geheime Stadt

Cyboria - Die geheime Stadt

Titel: Cyboria - Die geheime Stadt
Autoren: P. D. Baccalario
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war ein außergewöhnlicher Raum: Es gab fast keine rechtwinklig ausgerichteten Wände, dafür aber viele Ecken und Nischen, in die maßgefertigte Bücherregale eingepasst waren. In der Mitte des Raumes stand ein riesiger Schreibtisch, und an der Wand dahinter befand sich ein Kamin. Auf dem Rauchfang waren wieder die beiden verschnörkelten »A« mit dem feuerroten Blitz in der Mitte zu sehen, die Initialen von Ottos Familie. Von einem bauchig vergitterten Erkerfenster aus konnte man in die Ebene hinunterblicken. Davor befand sich eine Holzbank mit samtbezogenen Sitzkissen.
    In der Bibliothek fühlte man sich wie auf dem Deck eines Schiffes, es war ein Leichtes, das Zeitgefühl zu verlieren und den ganzen Nachmittag mit Lesen und Träumen zu verbringen.
    Als er die Bibliothek betrat, musste er zu seiner großen Enttäuschung feststellen, dass er nicht allein war. Ein Mann stand mit dem Rücken zu ihm am Kamin und betrachtete die beiden Initialen und das darüber hängende Ölgemälde.
    Otto biss sich auf die Lippen. Er kannte den Mann, er hatte ihn schon durch das Haus streifen sehen. Und er hatte das Gefühl, dass sein Großvater ihn gehasst hatte. Was hatte er hier zu suchen?
    Otto erinnerte sich sogar an seinen Namen: Er hieß Conte Liguana und stammte aus einer alten italienischen Adelsfamilie.
    Die Gestalt des Conte wurde von dem durch das Erkerfenster fallende Licht matt beleuchtet, er war groß gewachsen und von elegantem Aussehen. Seine grau melierten Haare hatte er mit Pomade straff nach hinten gekämmt, wodurch sein wie in Stein gemeißeltes Gesicht mit dem eckigen Kinn und der Adlernase noch mehr betont wurde. Niemand wusste genau, womit er sein Geld verdiente, aber jeder wusste, dass er unermesslich reich war.
    Otto hätte am liebsten wieder kehrtgemacht, noch bevor der Conte ihn bemerkte, doch in der Art und Weise, wie er alles anstarrte, lag eine solche Gier, dass in Otto das Gefühl geweckt wurde, er müsse den Familienbesitz beschützen. Deshalb schloss er betont laut die Tür hinter sich, was den Conte herumfahren ließ.
    Seine Augenbrauen hoben sich, und sein Gesicht nahm einen arroganten Ausdruck an: »Ach, du bist es, Perotti junior. Ich habe dich gar nicht kommen hören, mein Kleiner. Es tut mir sehr leid um deinen Großvater.«
    Verdammter Lügner , dachte Otto.
    Conte Liguana richtete den Blick erneut auf das Bild über dem Kamin und sagte: »Ich nehme an, du bist sehr traurig. Wenn du möchtest, können wir miteinander reden.«
    Worüber? , fragte sich Otto. Ohne ein weiteres Wort ging er zu dem hölzernen Globus in einer Ecke des Raumes hinüber und begann ihn zu drehen.
    Ssrrr …
    Ssrrr …
    Ssrrr …
    »Hat er es dir schon gegeben?«
    »Was, bitte?«
    Der Conte lächelte. »Ich dachte, du hättest es bekommen.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen, mein Herr«, antwortete Otto höflich.
    Der Conte machte eine vage Geste mit der Hand. »Ich vergaß. Vielleicht bist du für gewisse Dinge noch etwas zu jung.«
    »Ich bin dreizehn Jahre alt, fast schon vierzehn«, stellte Otto klar.
    »Genau. Das meinte ich doch: zu jung. Obwohl …« Otto konzentrierte sich wieder auf den rotierenden Globus, das Schweigen des Conte irritierte ihn. »Obwohl … So wie dein Großvater von dir sprach …, scheinst du ein echter Folgore Perotti zu sein …« Der Conte ahmte mit der Hand ein springendes Pferd nach. »In der Familie Folgore wird immer eine Generation übersprungen. So sagte er immer. Hopp! Sie verschwindet … und dann … Hopp! Kommt sie wieder zurück!«
    Otto spürte Wut in sich aufsteigen – warum, wusste er selbst nicht so genau, aber er schwieg. Conte Liguana ging auf den Jungen zu, die Bücherregale würdigte er keines Blickes. »Vielleicht war es dieses Mal aber nicht so? Vielleicht hat er nicht genug Vertrauen in dich gehabt und dir das Familiengeheimnis nicht anvertraut?«, insistierte er, die Lippen zu einem hinterhältigen Grinsen verzogen.
    Öffne die Schachtel , kam es Otto in den Sinn. Dieser Gedanke machte ihn unsicher, er wandte den Kopf ab und wiederholte trotzig: »Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie sprechen, mein Herr. Aber ich denke, mein Großvater wird gute Gründe gehabt haben.«
    »Sicher, sicher …«, erwiderte der Conte süffisant lächelnd, dabei ließ er mit dem langen Nagel seines Zeigefingers den Globus kreisen. »Gute Gründe … und gute Anweisungen …«
    An der Tür war jetzt ein Geräusch zu hören, dann öffnete sie sich erneut. Ein ungewöhnlich
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