Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cyboria - Die geheime Stadt

Cyboria - Die geheime Stadt

Titel: Cyboria - Die geheime Stadt
Autoren: P. D. Baccalario
Vom Netzwerk:
führte, und bog nach links ab, Richtung Pappiana. Noch immer spürte er die Gefahr und blieb auf der Hut.
    Er durchquerte das Dorf, überquerte die Ampel an der ersten Kreuzung und sauste in Richtung Passo del Frantoio. Dort bog er nach links auf ein enges Sträßchen ab und quälte sich durch den Wald nach oben. Sein Fahrrad hatte nicht genug Gänge, um den Anstieg mühelos zu bewältigen. Um die letzten Kurven in Angriff zu nehmen, die ihn noch von zu Hause trennten, musste er sogar im Stehen fahren. Der Weg führte stetig bergan und wurde nur von einer leichten Abfahrt unterbrochen, die an den düsteren Mauern des sogenannten Klosters vorbeiführte – ein altes Haus, das seit Jahren unbewohnt war.
    Zu Beginn der kurzen Abfahrt ließ Otto das Lenkrad los und fuhr freihändig, er genoss die frische Luft und lauschte den Geräuschen des Waldes. Die Straße führte unter einem alten Aquädukt hindurch und stieg dann zwischen den dicht an dicht stehenden Steineichen wieder an.
    Die Geräusche aus dem Tal und dem Dorf wurden leiser und verschwanden schließlich ganz. Zwischen den Ästen der Eichen hörte er die Vögel singen, auch das lebhafte Rauschen eines Bächleins drang an sein Ohr.
    Nach einigen Kurven tauchte zwischen den Bäumen ein schmiedeeisernes Tor auf. Es wurde von zwei Säulen begrenzt, um die sich Spiralen und stilisierte Blitze aus Metall rankten. Die Säulen vereinten sich oben zu einem Bogen, der den Weg überspannte; in die Mitte des Bogens waren zwei verschlungene »A« eingemeißelt, die Initialen von Ottos Vorfahren, die das Haus vor vielen Jahren erworben hatten. Darunter war in metallenen Lettern zu lesen:
VILLA FOLGORE
REMEDIUM FRUSTRA EST CONTRA FULMEN QUAERERE
    »Man sucht umsonst ein Schutzdach vor dem Blitz.«
    Otto passierte das Tor und stellte das Rad auf einer schattigen Lichtung ab, die rundum von Bäumen gesäumt war. Auf dem Parkplatz standen zwei Autos: der weiße Mercedes seiner Eltern und ein malvenfarbener Van mit dem Autokennzeichen von Livorno, den Otto noch nie gesehen hatte. Das Bächlein, das man schon im Wald rauschen gehört hatte, floss hinter einem niedrigen, mit Moos bedeckten Mäuerchen am Rand der Lichtung entlang. Am anderen Rand befand sich ein mit Steinplatten belegter Weg, der von Löwenzahn, wilden Iris und Ginster gesäumt war.
    Sein Zuhause.
    Die Villa Folgore tauchte am Ende des Weges auf. Ein altehrwürdiges, imposantes Steingebäude, das Atamante Folgore Perotti, sein Ururgroßvater, zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts gekauft hatte. Das Gebäude hatte drei Stockwerke und wirkte würdevoll und streng, die Fassade war vollständig mit Efeu überwuchert. Die Fenster mit den grünen Läden zeigten Richtung Pisa, bei gutem Wetter konnte man sogar den berühmten Turm sehen. An besonders klaren Tagen war rechter Hand selbst das ferne Glitzern des Meeres zu erahnen.
    Otto überquerte rasch die Rasenfläche und betrat das Haus durch die Rundbogentür im Erdgeschoss. Er ging direkt in sein Zimmer. Zwischen den dicken Steinmauern herrschte absolute Stille. Hoffentlich hatte niemand sein Kommen bemerkt.
    Aber irgendetwas stimmte nicht.
    Es war zu still.
    Er schloss die Tür hinter sich, nahm die Bücher aus seinem Rucksack und versteckte ihn zusammen mit dem kaputten T-Shirt unter dem Bett. War es wirklich so warm in seinem Zimmer oder lag es an der Aufregung, dass er so stark schwitzte?
    Er riss das Fenster auf. Das hereinströmende Licht fiel direkt auf seinen Schreibtisch, auf dem ein heilloses Durcheinander herrschte: Schraubenzieher, Hämmer, Kneifzangen, Zahnräder, Fahrradteile, Dynamos, Klemmen, aufgewickelte Kabel und Teile der alten Waschmaschine, die letztes Jahr kaputtgegangen war. Kupferdrähte hingen an Haken an der Pinnwand, an der man üblicherweise To-Do-Listen und Ähnliches befestigte.
    Er stand am Fenster und sog tief die frische Landluft ein, aber trotzdem kam er einfach nicht zur Ruhe. In dieser Stille lag etwas Ungewöhnliches, es war eine seltsame Stille, die man nicht stören durfte.
    Es klopfte an der Tür. Es war ein leises und vorsichtiges Klopfen, aber Otto zuckte trotzdem zusammen.
    »Einen Moment«, rief er und schlüpfte in ein neues T-Shirt.
    Es war seine Mutter.
    Sie sagte nichts.
    Sie sah ihn nur mit feuchten Augen an.
    Und erst in dem Moment verstand Otto, was es mit dieser Stille auf sich hatte. Er bemerkte im Hintergrund die Silhouette des Arztes, der im dunklen Flur stand und leise mit seinem Vater sprach.
    Der Van aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher