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CyberCrime

CyberCrime

Titel: CyberCrime
Autoren: M Glenny
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View eintreffe, habe ich nicht ganz das gleiche Gefühl wie damals, als ich zum ersten Mal den Blick auf das Tadsch Mahal richtete, aber ich empfinde doch ein wenig Ehrfurcht. Ich parke auf der Charleston Avenue vor dem bunten Firmenschild, das eines der ehrgeizigsten und erfolgreichsten Projekte der postindustriellen Welt ankündigt.
    Die Geschwindigkeit, mit der Google sich in unseren Alltag eingenistet hat – mit allen Höhen und Tiefen, die sich mit der kontrollierten Einnahme eines Rauschmittels verbinden –, sucht ihresgleichen. Die einzigen Konkurrenten sind Angehörige aus der Familie der digitalen Großunternehmen wie Facebook, Microsoft und Amazon. Aber nicht einmal diese drei können einen so großen Erfolg vorweisen wie Google, das uns im Leben hilft, anleitet und überwacht, indem seine riesigen Server unzählige Billionen von Bytes an angefragten Informationen ausspucken, während sie gleichzeitig individuelle und kollektive Datenprofile von Milliarden Menschen erstellen und speichern. Diese Daten sagen natürlich viel mehr über uns aus, als wir selbst wissen. Man schaudert bei dem Gedanken, was geschehen könnte, wenn all die Informationen in die falschen Hände fallen. Vielleicht ist das ja bereits geschehen …
    Der fröhliche Mix aus Primär- und Sekundärfarben, der uns vom Google-Logo vertraut ist, findet sich auch auf dem Firmengelände wieder. Über das Gelände verteilte Skulpturen sind so gestaltet, dass man darauf sitzen, sie ansehen oder mit ihnen spielen kann; der gesamte Komplex ähnelt einem riesigen Kindergarten oder aber – je nachdem, wie viel Angst und Paranoia man hat – dem bizarren Spielzeugdorf aus der britischen 60er-Jahre-Fernsehserie Nummer 6 , in das Personen, die ein nationales Sicherheitsrisiko darstellten, verschleppt wurden und aus dem es kein Entkommen gab. Ist es nur meine Fantasie, oder trägt tatsächlich jeder, den ich hier sehe, vom Reinigungspersonal bis zum leitenden Management, ein tranceähnliches Lächeln auf dem Gesicht? Beides verstärkt die paranoide Deutung des Wesens von Google und vermittelt den Eindruck, dass sie sich alle ein wenig zu viel Mühe geben, nicht böse zu wirken. Ob das hier ein Traum oder ein Albtraum ist, kann ich nicht genau einschätzen.
    Als ich Cory Louie kennenlerne, den Sicherheitschef von Google, fühle ich mich fast erleichtert. Viele Menschen, die in Sicherheitsbereichen tätig sind, haben eine ernste Ausstrahlung und eine Neigung zur Geheimnistuerei, ganz gleich, wer ihr Arbeitgeber ist. Sein Verhalten bildet einen wohltuenden Kontrast zu der Google-typischen, buddhistischen Atmosphäre. Louie, ein gewandter Amerikaner asiatischer Abstammung mit forschem, aber freundlichem Auftreten, hat seine Cyberzähne nicht bei den Lotusessern im Silicon Valley geschärft, sondern in der viel raueren, männlichen Welt des Secret Service. Ende 2006 hatte Google ihn von der Behörde abgeworben, wo er die Abteilung für elektronische Verbrechen leitete. Es gab kaum etwas, das er über Angriffe auf Netzwerke, Kreditkartenbetrug, große Ditributed Denial of Service- beziehungsweise DD o S -Angriffe (mit denen man Webseiten und Netzwerke lahmlegen kann) und die Schadprogramme, die sich kurz nach der Jahrtausendwende vermehrten wie Ratten in einem Abwasserkanal, nicht wusste. Außerdem wusste er viel über Carding, das tägliche Brot der Cyberkriminellen. Der Begriff bezeichnet den Kauf oder Verkauf gestohlener oder gehackter Kreditkartendaten, die zu Hunderttausenden rund um die Welt ausgetauscht werden und dann dazu dienen, Waren einzukaufen oder Bargeld aus Geldautomaten zu ziehen.
    Wie hätte Google einem klugen Kopf wie Cory Louie widerstehen können? Das Unternehmen konnte es nicht. Und wie hätte Louie einem strategischen beruflichen Wechsel zu Google widerstehen können – dem milden Klima an der südlichen Pazifikküste der Vereinigten Staaten gegenüber der feuchten Schwüle von Washington, der winterlichen Kälte und nur einer Woche mit blühenden Kirschbäumen; der lässigen Kleiderordnung der Westküste gegenüber Schlips und Kragen in der Hauptstadt; dem Geld und dem Gefühl, an einem dynamischen Projekt mitzuarbeiten, gegenüber einem Dasein im US -Beamtenapparat? Es war wohl kaum ein fairer Wettbewerb.
    Wenn man auf dem Freeway 101 von San Francisco kommt, ist Google nicht die einzige Cyber-Ikone, an der man vorbeifährt. Zu den vielen berühmten Namen, deren Firmenzentralen an den Autofenstern vorübergleiten, während man Kurs
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