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Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)

Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)

Titel: Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)
Autoren: Guido Krain
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anzuklopfen in den Waschraum für Frauen.
    Die von der Nässe verzogene Tür quietschte auf dem mit Steinplatten ausgelegten Boden. Cvon hasste dieses Geräusch, doch sie zog diese akustische Folter den Gegebenheiten im Männerwaschraum vor. Dort gab es gar keine Tür mehr. Dass es überhaupt Waschräume in diesem heruntergekommenen Gasthof gab, lag an seiner langen Geschichte als Herberge für wohlhabende Händler. Sie versuchte sich häufig vorzustellen, wie es hier in der Zeit vor dem Bürgerkrieg ausgesehen haben mochte. In der Zeit, in der Vuna eine schöne Stadt voller Leben und Reichtum gewesen war. Cvon hatte es gesehen, war aber zu jung gewesen, um all die Pracht würdigen zu können. Acht Jahre Krieg hatten die Stadt verödet, die Menschen zu Wilden gemacht und dem Gesetz des Stärkeren zu unantastbarer Geltung verholfen.
    Doch sie lenkte ihre Gedanken zurück auf angenehmere Dinge: Der Waschraum war frei. Sie konnte es nicht ausstehen, Gäste der Herberge aus dem Waschraum entfernen zu müssen. Häufig musste sie Gewalt anwenden und sich dann mit Herncok, dem Wirt, auseinandersetzen. Kein guter Start in den Tag.
    Wie jeden Morgen verbarrikadierte sie die Tür mit ihrem Schwert und wartete einige Minuten ab, ob Herncok heraufkam, um sich darüber zu beschweren, dass sie den Raum für sich allein beanspruchte. Doch er kam heute nicht. Seit sie ihm vor drei Wochen während eines Streits über dieses Thema die Nase gebrochen hatte, schien er endlich aufgegeben zu haben.
    Die Kälte kroch träge über die Steinplatten in ihre Füße und ließ sie frösteln. Der Lederpanzer fand seinen Platz an der Tür und Cvon streifte das alberne Nachthemd über den Kopf. Augenblicklich betäubte Unbehagen die Kälte in ihren Füßen. Sie hasste es, nackt zu sein. Mit steifen Schritten trat sie an den großen Wassertank heran und füllte einen großen Eimer mit klarem Wasser. Der Inhalt dieses Tanks schien der einzig wirklich saubere Bestandteil des Hauses zu sein. Cvon schob die Ehre hierfür auf Galen, den jüngsten Sohn Herncoks. Der Zehnjährige war dafür verantwortlich, die Tanks zu reinigen und Eimer für Eimer aus dem Brunnen aufzufüllen.
    Sie bediente sich großzügig an dem hauseigenen Fundus von Seife und nahm keine Rücksicht auf den stolzen Preis, den Kernseife in diesen Zeiten auf den Märkten hatte. Das war ebensowenig ihre Sorge, wie das Wasser oder das Essen für die Gäste. Sie war ausschließlich hier, um zwielichtiges Gesocks vor die Tür zu setzen oder zu erschlagen. Kein Tag verging, an dem Herncok nicht auf sie angewiesen gewesen wäre. Dank ihr war der „Metgesang“ eine von nur sechs Herbergen und Wirtshäusern, die das marodierende Chaos in Vuna bis jetzt überstanden hatten. Herncok konnte Cvon ebenso wenig feuern, wie sie kündigen wollte.
    Das Wasser war beinahe lauwarm. Ein findiger Baumeister hatte den Tank um den von der Küche aufsteigenden Schornstein herum gebaut, sodass man sich sogar im Winter waschen konnte, ohne an Ort und Stelle festzufrieren. Sein Einfallsreichtum hatte ihm nicht viel geholfen; soviel sie wusste, war er kurz nach dem Ausbruch des Krieges mit den meisten anderen wichtigen Persönlichkeiten Vunas erschlagen worden.
    Sie wusch sich ausgiebig, bis sie überzeugt war, auch den letzten Rest der vergangenen Nacht heruntergewaschen zu haben, und trocknete sich gewissenhaft ab. Sie ging an die Tür, um eine kleine Dose mit einer Art Talkum aus ihrer Ledermontur hervorzukramen. Mit geübten Bewegungen verteilte sie das weiße Pulver auf ihrem gesamten Körper. Die feine Substanz verlieh ihr den Hautton einer Toten und deckte den größten Teil der großen und kleinen Blessuren ihres 19-jährigen Lebens ab. Sie wusste, dass das Pulver bis mindestens heute Nacht seine unheimliche Wirkung beibehalten würde.
    Als sie zufrieden war, zog sie ihre schlangenartigen Tätowierungen auf den Armen mit schwarzer Fingerfarbe nach und machte sich daran, auch ihr Gesicht zu „schminken“. Sie schmierte die erstaunlich wohlriechende Paste um ihre Augen, bis sie eine Furcht einflößende Maske aus schwarzer Farbe trug. Sie stellte den Farbstoff selbst aus Fett und Rivo-Schnecken her. Eine widerliche Prozedur, über deren Sinn sie aber schon lange nicht mehr nachdachte. Zum Abschluss mischte sie einen Tropfen Farbe mit dem weißen Pulver und färbte ihre Lippen in düsteres Schwarz.
    Ihre blitzenden grünen Augen waren jetzt das Einzige, das wirklich lebendig an ihr zu sein schien. Sie sah
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