Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cotton Reloaded - Folge 1 - Der Beginn

Cotton Reloaded - Folge 1 - Der Beginn

Titel: Cotton Reloaded - Folge 1 - Der Beginn
Autoren: Mario Giordano
Vom Netzwerk:
und ich gehe zur Polizei und mache die Welt ein bisschen besser. So was in der Art.
    Seitdem war er jedenfalls nie wieder nach Grinnell, Iowa, zurückgekehrt. Megan hatte ihn noch einmal besucht, hatte viel geweint, und das war es dann gewesen.
    Sarah hatte ihn aufgenommen und im Jahr darauf adoptiert. Sie hatte keine Kinder, aber ein großes Apartment in Brooklyn. Park Slope, feine Gegend, wo man berühmte Autoren und Schauspieler im Coffeeshop antreffen und vornehm ignorieren konnte. Vor fünf Jahren war Cotton bei Sarah ausgezogen und lebte nun in Williamsburg zwischen chassidischen Juden, Musikern, Intellektuellen und Künstlern, die in den 90er-Jahren wegen der hohen Mieten in Manhattan hierher gezogen waren und die nun ihrerseits die Mieten in dem ehemaligen Arbeiterviertel hochtrieben. Doch Cotton gefiel es, und solange er von seinem mickrigen Gehalt als Cop das winzige Apartment in der Hewes Street bezahlen konnte, würde er dort bleiben.
    »Halt hier mal«, riss Brandenburg ihn aus seinen Gedanken.
    »Was ist?«
    »Jetzt halt schon an, Mann!«
    Cotton hielt vor einem einstöckigen Backsteingebäude in der Mulberry Street. Unten ein geschlossenes vietnamesisches Restaurant, im oberen Stockwerk drei Fenster mit roten Vorhängen, aus denen trübes Licht sickerte.
    »Bin gleich zurück«, sagte Brandenburg.
    »Was soll das, Joe?«
    Brandenburg schnalzte mit der Zunge. »Du hörst mir nicht zu, Partner. Muss nur mal kurz nach dem Rechten sehen. Die kleine Yuki ist mir noch was schuldig.«
    Cotton erinnerte sich. Brandenburg hatte ihm von den vier Chinesinnen erzählt, die als »Japan-Juwelen« firmierten und ihren Service im Netz mit Fotos anboten, die so gar nichts mit der Realität da oben zu tun hatten. Wie in allen US-Bundesstaaten außer Nevada war Prostitution auch in New York illegal, wurde aber weitestgehend geduldet. Vor allem dank Polizisten wie Brandenburg, die regelmäßig »nach dem Rechten« sahen.
    Cotton stöhnte. »Muss das sein so kurz vor Schichtende?«
    »Dauert nicht lange, Partner. Ist rein geschäftlich.«
    Brandenburg stieg aus und verschwand in dem Haus. Cotton ließ den Motor laufen und überlegte, ob er eine rauchen sollte. Seit drei Wochen hatte er keine Zigarette mehr angerührt, und mit jeder weiteren Schicht mit Joe Brandenburg wurde es zur Qual. Er konzentrierte sich auf die Fenster mit den roten Vorhängen, aber außer undeutlichen Schatten war nichts zu erkennen.
    Cotton schaltete die Scheinwerfer aus, stellte den Motor ab und blickte die Mulberry Street entlang.
    Die kleine Straße im Herzen von Chinatown war um diese Nachtzeit ungefähr so belebt wie ein Feldweg in Iowa. Cotton liebte diese Stunde, in der New York für einen kurzen Moment den Atem anhielt. Eine Zeit lang verfolgte er die Meldungen im Funk, aber außer einer Kokainrazzia im Village war alles ruhig. Dennoch konnte er sich nicht entspannen. Er blickte auf die Uhr. Brandenburg war erst seit fünf Minuten weg.
    Cotton beschloss, noch weitere fünf Minuten zu warten und ihn dann da rauszuholen. Er wollte nicht noch mehr Ärger mit dem Chief seit der Razzia vergangene Woche, als er einen Crackdealer ein bisschen zu hart angefasst hatte.
    Er war gerne Polizist und hatte die Entscheidung nie bereut, trotz Sarahs abfälligen Bemerkungen, wenn er sie sonntags besuchte. Dennoch fehlte ihm immer noch etwas. Das Gefühl aus jenen Septembertagen vor elf Jahren, gerufen zu werden, hatte ihn nie verlassen. Er war nicht ganz falsch beim NYPD. Aber er war noch nicht da angekommen, wo er hingehörte, so viel stand fest. Er hatte sich an der FBI-Akademie beworben, und an der Marine Corps Base in Quantico, aber sie hatten ihn beinahe ausgelacht. Keine Chance ohne Hochschulabschluss und mindestens drei Jahre Berufserfahrung.
    Für einfache Cops war das System ungefähr so durchlässig wie Stahlbeton. Hätte er sich früher überlegen müssen. Hatte er aber nicht. Cotton hatte einfach den Deal eingehalten, den er unter den Trümmern des unverwundbaren Amerikas mit seinem Schicksal geschlossen hatte.
    Scheiß der Hund drauf.
    Als er den Kopf wieder hob, sah er die Frau. Asiatin. Anfang dreißig. Zierlich. Schulterlanges schwarzes Haar, energische Bewegungen, soweit Cotton es im Licht der Straßenlaternen erkennen konnte. Eng geschnittenes Businesskostüm, aber dazu unpassend hohe Schuhe. Sie stieg vor ihm aus einem Taxi und kam die Mulberry zügig auf seiner Seite zurück. Cotton fragte sich, warum sie sich nicht bis zu ihrem Ziel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher