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Coruum Vol. 3

Coruum Vol. 3

Titel: Coruum Vol. 3
Autoren: Michael R. Baier
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»Wahrscheinlich hat der Certeer es daher nicht für notwendig befunden, uns hier einen neuen Tunnel zu bauen.«
    Das klang plausibel. Nach einigen Minuten trat der Grat auch tatsächlich über die Wasseroberfläche. Ich drehte mich um und winkte Karen, mir zu folgen. Die Felswand hatte eine leichte Kurve genommen und ich befand mich jetzt in der ersten Öffnung, bereits unter einigen Metern überhängenden Gesteins. Die Öffnung überspannte wenigstens zehn Meter Wasseroberfläche, um dann in einem äußerst massiven Pfeiler aufzusetzen und in den nächsten Bogen überzugehen.
    Erst aus meiner augenblicklichen Perspektive konnte ich erkennen, wie sich die Wasserfinger der nebeneinanderliegenden Öffnungen im Inneren der Höhle wieder zu einer zusammenhängenden Wasserfläche verbanden. Die kleinen Inseln der Pfeiler wirkten jetzt wie gigantische Arkaden vor einem überdachten Hafen.
    Sprachlos folgten wir dem Weg weiter in die Höhle hinein, immer an der Wasserlinie entlang, bis wir uns in einem geräumigen Kuppelsaal befanden, dessen eine Seite von sieben großen, unregelmäßigen Öffnungen durchbrochen war, welche die ersten Strahlen morgendlichen Sonnenlichts hineinließen.
    »Ich bin nicht sicher, ob schon viele Menschen vor uns hier gewesen sind, Don.«
    Ich tippte mir in den Nacken und deaktivierte das Visier.
    Die Magie dieses Ortes wollte ich möglichst unverfälscht auf mich wirken lassen. Die von der unruhigen Wasseroberfläche reflektierten türkisenen Sonnenstrahlen tanzten über die zackige Sandsteinoberfläche um uns herum und vermittelten durch den Stroboskopeffekt einen unglaublichen Eindruck von Tiefe.
    Karen war in den hinteren Bereich der Höhle weitergegangen und winkte mir aufgeregt, ihr zu folgen.
    »Hier sind Malereien, Don, komm her! «
    Ich stieg über kleinere Felsbrocken hinweg und gelangte zu ihr. Ohne mich zur Kenntnis zu nehmen, starrte sie an die hohe, verhältnismäßig glatte Wand vor uns. Ich kniff die Augen zusammen, um etwas zu erkennen, und ahnte mehr, als dass ich wirklich etwas sah, zusammenhanglose, sehr verblasste Striche und Flächen, an denen einmal Farbe gewesen sein mochte. Ich trat ein paar Schritte näher. Mit viel Wohlwollen hätte man diese Zeichnung als eine Gruppe vorzeitlicher Jäger beschreiben können.
    » Visier! « sagte Karen atemlos von hinten.
    »Was …?«, ich tippte an den Mikroschalter, verstummte schlagartig und trat ein paar Schritte zurück.
    Das hatte definitiv noch niemand gefunden. Es wäre unmöglich gewesen, diese Entdeckung in der Weltpresse zu übersehen.
    »Die Zeichnungen von Tassili in Algerien sind Stümperei dagegen« , flüsterte Karen in meinem Ohrhörer.
    Langsam ging ich weiter rückwärts, bis ich gegen sie stieß. Sie lehnte ihren Kopf an meine Schulter. Minutenlang standen wir regungslos, schweigend und tief bewegt vor dem riesigen Gemälde und ließen die Details auf uns wirken.
    Die fahlen Linien waren verschwunden. Kräftige glitzernde Farben hatten sie ersetzt. Die Szene wurde dominiert von zwei Gruppen. Ich bin kein Anthropologe, deshalb bezeichne ich die linke Gruppe aus sechs Individuen einmal als frühe Form des Homo sapiens. Sie standen aufrecht, waren ein gutes Drittel kleiner als die Vertreter der zweiten Gruppe und stützten sich auf Speere und Jagdbögen. Ihre dunklen Körper waren bis auf einen Lendenschurz unbekleidet, ihre Gesichter waren von Bärten bedeckt, die Stirn ein wenig fliehend, die Augen unter mächtigen Brauen versteckt, ihre Körperbehaarung war sehr ausgeprägt. Alle bis auf zwei Individuen dieser Gruppe von Frühmenschen, die einen Gegenstand entgegennahmen, blickten in verschiedene Richtungen, als beobachteten sie aufmerksam die Umgebung, unsicher, ob sie der gegenwärtigen Situation trauen dürften.
    Die andere Gruppe auf der rechten Seite war menschlich. Ich sah einen schlanken, hochaufragenden Körperbau, schmale Augen – vergleichbar den Massai – mit hellerer Haut im Gesicht. Sie waren vollständig bekleidet, ihre Schädelform war länglich. Hier handelte es sich um vier Repräsentanten.
    Die beiden Gruppen waren einander zugewandt. Zwei Männer der linken erhielten einen Gegenstand von einem hervorgehobenen Mann der rechten Gruppe. Die Aufstellung der Personen beider Parteien hatte etwas Feierliches, Würdevolles. Obwohl der Entwicklungsunterschied zwischen den Gruppen offensichtlich war, hatten die Künstler des Bildes die Vertreter der höher stehenden Kultur in Demuthaltung
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