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Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen

Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen

Titel: Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen
Autoren: Andrea Camilleri
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eine Epoche grausamer Verbrechen eintrat, begangen von anonymen Tätern, die eine Website, eine Adresse im Internet oder wo auch immer haben würden und niemals ein Gesicht, ein Augenpaar, eine Mimik. Nein, er war einfach zu alt.
    Er parkte etwa zwanzig Meter vor der Villa und blieb reglos sitzen, nachdem er die Scheinwerfer ausgeschaltet hatte. Aufmerksam sah er durch das Fernglas. Durch die Fenster drang kein Lichtschimmer. Dottor Professore Ingrò musste ins Bett gegangen sein. Montalbano stieg aus und näherte sich mit raschen Schritten dem Gartentor der Villa. Er blieb wieder zehn Minuten reglos stehen. Niemand trat auf ihn zu, niemand fragte aus dem Schatten heraus, was er wolle. Mit einer winzigen Taschenlampe untersuchte er das Schloss des Gartentors. Es gab keine Alarmanlage. War das möglich? Dann überlegte er, dass Professore Ingrò keine Sicherheitssysteme nötig hatte. Bei den Freundschaften, die er unterhielt, konnte es nur einem armen Irren einfallen, in seine Villa einzubrechen. Montalbano brauchte nur einen Augenblick, um das Tor zu öffnen. Vor ihm lag ein breiter, von Bäumen gesäumter Weg. Der Garten musste sehr gepflegt sein. Hunde waren keine da, die wären längst über ihn hergefallen. Mit dem Dietrich öffnete er problemlos auch die Haustür. Ein geräumiges Vorzimmer, das in einen Salon ganz aus Glas und drei weitere Zimmer führte.
    Die Schlafzimmer lagen im oberen Stock. Er stieg eine prächtige, mit dickem weichem Teppichboden ausgelegte Treppe hinauf. Im ersten Schlafzimmer war niemand. Doch im Zimmer nebenan atmete jemand schwer. Mit der Linken tastete der Commissario nach dem Lichtschalter, in der Rechten hatte er seine Pistole. Er war nicht schnell genug. Die Lampe auf einem der Nachttischchen ging an.
    Dottore Professore Ingrò lag vollständig angezogen, einschließlich Schuhen, auf dem Bett. Er zeigte sich keineswegs erstaunt, einen unbekannten und obendrein bewaffneten Mann in seinem Schlafzimmer zu sehen. Das hatte er wohl erwartet. Es roch miefig, ranzig, nach Schweiß. Professore Ingrò war nicht mehr der Mann, wie ihn der Commissario in Erinnerung hatte, nachdem er ihn zwei- oder dreimal im Fernsehen gesehen hatte: Er war unrasiert, die Augen gerötet, das Haar zerzaust.
    »Habt ihr beschlossen, mich zu töten?«, fragte er leise. Montalbano gab keine Antwort. Er stand noch immer in der Tür, die Hand mit der Pistole an der Seite, aber die Waffe gut in Sicht. »Ihr macht einen Fehler«, sagte Ingrò. Er streckte seine Hand zum Nachtkästchen - Montalbano erkannte es, er hatte es in dem Video mit der nackten Vanja gesehen -, nahm das Glas, das darauf stand und trank einen großen Schluck Wasser. Ein wenig Wasser ging daneben, seine Hand zitterte. Er stellte das Glas wieder hin und sprach weiter. »Ich kann euch noch nützlich sein.«
    Er setzte die Füße auf den Boden.
    »Wo wollt ihr denn einen finden, der so gut ist wie ich?«
    Vielleicht keinen Besseren, aber bestimmt einen, der anständiger ist, dachte der Commissario, sagte jedoch nichts. Er wollte, dass sich der andere selbst weich kochte. Aber vielleicht sollte er ein wenig nachhelfen. Der Professore war aufgestanden, und Montalbano hob ganz langsam die Pistole und zielte auf seinen Kopf.
    Da geschah es. Als hätte jemand das unsichtbare Seil gekappt, das ihn aufrecht gehalten hatte, fiel der Mann auf die Knie. Er legte die Hände zum Gebet zusammen. »Erbarmen! Erbarmen!«
    Erbarmen? Erbarmen, wie er es mit jenen ge habt hatte, die er schlachten, wahrhaftig schlachten ließ? Er weinte, der Professore. Tränen und Spucke ließen seine Bartstoppeln am Kinn glänzen. Und das war die Conradsche Figur, die er sich vorgestellt hatte?
    »Ich kann dich bezahlen, wenn du mich gehen lässt«, murmelte er. Er langte in die Hosentasche, zog einen Schlüsselbund hervor, gab ihn Montalbano, der sich nicht rührte. »Diese Schlüssel - du kannst alle meine Bilder nehmen - die sind ein Vermögen wert -   du wirst reich -«
    Montalbano konnte sich nicht mehr beherrschen. Er trat zwei Schritte vor, hob den Fuß und stieß ihn dem Professore mitten ins Gesicht. Der fiel nach hinten und brachte es diesmal fertig zu schreien: »Nein! Nein! Das nicht!« Er hielt sich das Gesicht mit den Händen, Blut tropfte aus der gebrochenen Nase zwischen seinen Fingern hindurch. Montalbano hob wieder seinen Fuß. »Jetzt reicht's!«, sagte eine Stimme hinter ihm. Er wandte sich rasch um. In der Tür standen Augello und Fazio, beide mit Pistolen in
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