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Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Titel: Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe
Autoren: Donna Leon
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ab.«
    »Und wenn sie einmal nicht da ist?«, fragte Brunetti.
    »Sie hat mir die Schlüssel gegeben, damit ich mir die Post selbst holen kann.« Sie drehte sich zu den Fenstern um, durch die Brunetti die angestrahlte Apsis der Kirche sah. »Also bin ich runter in ihre Wohnung. Die Briefe waren da, wo sie immer waren: auf der Ablage beim Eingang.« Sie schien nicht weiterzuwissen, aber Brunetti wartete.
    »Und dann bin ich ins vordere Zimmer gegangen. Einfach so, ohne Grund - aber da war Licht - sie macht immer das Licht aus, wenn sie aus einem Zimmer geht -, und ich dachte, vielleicht hat sie mich nicht gehört. Aber das klingt nicht besonders logisch, oder? Und da habe ich sie gesehen. Und ihre Hand berührt. Und das Blut gesehen. Und dann bin ich wieder hier rauf und habe Sie angerufen.«
    »Möchten Sie sich nicht setzen, Signora?«, fragte Brunetti und wies auf einen Stuhl, der an der Wand neben ihr stand.
    Sie schüttelte den Kopf, machte aber gleichzeitig einen Schritt darauf zu. Schwer ließ sie sich nieder, gab dann ihrer Schwäche nach und lehnte sich zurück. »Furchtbar. Wie kann jemand nur ...«
    Bevor sie die Frage aussprechen konnte, läutete die Klingel. Brunetti ging zur Sprechanlage und hörte, wie Vianello [25]  sich selbst und Dottor Rizzardi meldete. Brunetti drückte den Knopf, der die Haustür öffnete, legte den Hörer auf und teilte der immer noch Sitzenden mit: »Die anderen sind eingetroffen, Signora.« Und auch das musste er noch fragen: »Ist die Tür abgeschlossen?«
    Verwirrt sah sie zu ihm auf: »Was?«
    »Die Tür unten. Die Wohnungstür. Ist sie abgeschlossen?«
    Sie schüttelte zwei-, dreimal den Kopf und schien sich dieser Geste so wenig bewusst, dass er erleichtert war, als sie damit aufhörte. »Ich weiß nicht. Ich hatte die Schlüssel.« Sie suchte in ihren Jackentaschen, fand die Schlüssel aber nicht. Sie sah ihn verlegen an. »Ich muss sie unten gelassen haben, auf der Post.« Sie schloss die Augen und sagte: »Aber Sie können hineingehen. Die Tür schließt nicht automatisch.« Dann hob sie eine Hand, als habe sie etwas Wichtiges zu sagen. »Sie war eine gute Nachbarin.«
    Brunetti dankte ihr und ging zu den anderen nach unten.

[26]  3
    V ianello und Rizzardi warteten vor der Wohnungstür. Brunetti und Vianello nickten sich zu, sie hatten sich noch am Nachmittag gesehen; dem Pathologen gab Brunetti die Hand. Wie immer war der Doktor gekleidet wie ein englischer Gentleman, der soeben aus seinem Club kam. Er trug einen dunkelblauen, eindeutig maßgeschneiderten Nadelstreifenanzug. Sein Hemd sah aus, als habe er es soeben erst auf der Treppe angezogen, und seine Krawatte hatte für Brunetti etwas »Ehrfurchtgebietendes«, auch wenn ihm selbst nicht ganz klar war, was er damit meinte.
    Rizzardi war erst vor kurzem aus seinem Urlaub in Sardinien zurückgekehrt, dennoch sah er müde aus, wie Brunetti beunruhigt feststellte. Aber wie fragte man einen Arzt nach seinem Befinden?
    »Schön, dich zu sehen, Ettore«, sagte er. »Wie ...«, fing Brunetti an, fand dann aber, er sollte die Frage neutraler formulieren, »... war dein Urlaub?«
    »Turbulent. Giovanna und ich hatten vor, die Zeit unter einem Sonnenschirm am Strand zu verbringen, nur lesen und aufs Meer hinausschauen. Aber dann fragte Riccardo in letzter Minute, ob wir nicht die Enkel mitnehmen wollten, und wie hätten wir da nein sagen können, also hatten wir die zwei Kinder dabei, acht und sechs Jahre alt.« Er zog ein Gesicht wie jemand, der einen Raubüberfall erlebt hat. »Ich hatte vergessen, wie das ist, mit Kindern zusammen.«
    »Und vorbei war’s mit Sonnenschirm und Strand und [27]  Lesen und Aufs-Meer-Hinausschauen, nehme ich an«, sagte Brunetti.
    Rizzardi zuckte die Achseln, doch mit einem Lächeln. »Wir haben es beide sehr genossen«, sagte er. »Auch wenn wir das besser nicht laut sagen sollten.« Dann wurde er sachlich: »Was liegt an?«
    »Die Frau oben ist aus dem Urlaub gekommen, hat ihre Post nicht vorgefunden, wollte sie hier unten holen und hat dabei die Tote gefunden.«
    »Und sie hat die Polizei und nicht den Notarzt angerufen?«, unterbrach Vianello.
    »Sie sagt, sie habe Blut gesehen: Deswegen habe sie uns alarmiert«, erklärte Brunetti.
    Die Tür, fiel Brunetti auf, war eine altmodische Holztür mit Klinke, wie man sie in dieser von Einbrüchen geplagten Stadt kaum noch sah. Auch wenn Signora Giusti beim Hineingehen zweifellos alle etwa vorhandenen Fingerabdrücke beschädigt oder
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