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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender
Autoren: Stephen Fry
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Nigeria, Indien, Aden, den West Indies oder Ceylon verbracht hatten. Ein Junge namens Robert Dale, den ich mochte, saß mir und Bunce gegenüber und erzählte von Indien. Dales Vater war Herausgeber einer englischsprachigen Zeitung in Bombay, und wenn Dale sich weh tat, brüllte er jedesmal »Aiee!« Beim ersten Mal, als er mit seinem Zeh einen Bettpfosten im Schlafsaal gerammt hatte, war ich total verblüfft, daß es unterschiedliche Schmerzlaute gab. Bis dahin hatte ich geglaubt, überall auf der Welt riefe man »Autsch!« oder »Aua!« In meiner ersten Französischstunde hatte ich gleich einen hitzigen und unerquicklichen Wortwechsel vom Zaun gebrochen, als ich hörte, daß die Franzosen »Ah!« statt »Oh!« sagten.
    »Und was sagen sie für ›Oh‹, Sir?«
    »Sie sagen ›Ah‹.«
    »Aber was sagen sie dann für ›Ah‹?«
    »Spiel nicht den Blödmann, Fry.«
    Für den Rest der Stunde hatte ich geschmollt.
    Dale zog Schuhe und Socken aus und lehnte sich zurück. Er hatte makellos schöne Füße mit ebenmäßig geformten Zehen. Zu Beginn eines jeden Herbstsemesters gaben Jungen wie er, die ihre Ferien in Afrika, Asien oder den West Indies verbracht hatten, damit an, ohne ein Zeichen von Schmerz barfuß über die Kieswege zu rennen. Wenn gegen Ende des Semesters der Winter Einzug hielt, war die harte Hornhaut unter ihren Füßen verschwunden, und sie mußten genauso vorsichtig gehen wie wir.
    Ein Schaffner steckte den Kopf ins Abteil und zählte eilig die Köpfe. Ohne irgendwen anzublicken, erklärte er, der letzte Junge, der seine Füße auf ein Polster ausgestreckt habe, sei in Didcot von der Polizei verhaftet worden und sitze noch heute bei Wasser und Brot im Gefängnis.
    »Klingt immer noch besser als Schulfraß«, sagte Dale.
    Der Schaffner quittierte unser Gekicher mit einem Grunzen und verschwand. Kreissägen segelten in die Gepäcknetze, Beine wurden auf den Sitzen ausgestreckt, und das Gespräch drehte sich um Fußball, wie man die Ferien verbracht hatte, wer Präfekt werden sollte und all den Kinderkram, den man aus edwardianischen Schulromanen kennt. Mason schien Bunces jähen Gefühlsausbruch völlig vergessen zu haben, während er sein Gegenüber mit Unterarmfürzen unterhielt.
    Nach einem quietschenden, stoßartig den Magen verdrehenden Ruck, mit dem Züge auf unverschämt taktlose Weise menschliche Regungen nachahmen, begannen wir aus der großen Halle von Paddington zu rollen und gen Westen zu zockeln.
    Die Stadt Stroud in Gloucestershire, unsterblich gemacht durch das Gedenken von und in Gedenken an Laurie Lee,produziert – oder produzierte einmal – nahezu den gesamten Filzbedarf Britanniens und der Dominions. Filz für die Türen des Hauspersonals, Filz für Billard-, Snooker- und Pooltische, Filz für Kartentische, Filz für Kasinos und Auktionssäle und Filztücher zum Abdecken von Singvogelkäfigen, um den Tierchen vorzugaukeln, es sei dunkle Nacht. Einige Meilen südlich von Stroud erhebt sich der Bury, ein mächtiger grüner Hügel, der den Eindruck erweckt, die Weber des Slad Valley hätten eine riesige Filzbahn über ihn ausgerollt, um weithin sichtbar für ihr Produkt zu werben. Am Fuße dieses samtweichen Hügels liegt das Dörfchen Uley und träumt selig vor sich hin, unbekümmert um Riesen-Milkshakes, Boxkämpfe im Pay-TV, Samstagslotto oder Seiten-Airbags. In Uley glaubt man nach wie vor an matritzengeschriebene Pfarrbriefe, Dividend Tea, Sorbet-Dips, Heinz’ Salat-Soße und zur Hälfte aus Holz gezimmerte Morris-Lastwagen. In Uley wachsen Lobelien und Alyssum an den Rasenkanten der Vorgärten und ranken an warmen Naturstein-Cottages empor, aus denen der dunkle Klang von Langwellensendern dringt. Der Dorfpub von Uley verströmt einen warmen Dunst, in dem sich der würzige Vanille-Duft von Pfeifentabak mit dem Malzgeruch von Usher’s Ales verbindet. Selbst die Dorfkirche von Uley besitzt ihren eigenen Geruch, eine Mischung aus Esso-Benzin, Mansion-Möbelpolitur und Gesangbüchern in einem Zustand dauerhaft konservierter Verwesung.
    Eine halbe Meile entfernt thront auf einem Hügel Stouts Hill School, ein imposantes, aus gemeißelten Steinquadern erbautes Schloß mit unzähligen Türmen und Schießscharten, zu dessen Füßen sich ein libellenumschwärmter, karpfendurchfurchter und von leuchtenden Malven gesäumter See erstreckt. Ein steiler Weg windet sich von Stouts Hill zur Dursley Road ins Dorf hinab. Unterwegs trifft man überall auf Pferdescheiße, die in karamelfarbenen
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