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Codename Sparta 01 - Die Sternenkoenigin

Codename Sparta 01 - Die Sternenkoenigin

Titel: Codename Sparta 01 - Die Sternenkoenigin
Autoren: Paul Preuss
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konzertreif zu spielen, und zwar schon im frühen Kindesalter. Auf die gleiche Art hatte man ihr Tanzen, Turnen und Reiten beigebracht, indem man sie unablässig zum Üben anhielt und immer das Maximum von ihr verlangte. Sie hatte räumliche Darstellungen auf einem Computer erzeugt und Zeichnen und Bildhauerei von Meistern des Fachs gelernt; man hatte sie in Mengenlehre, Geometrie und Algebra unterrichtet, seit sie ihre Zehen unterscheiden und die Lehre von Piaget beweisen konnte. »L.N.« hatte man eine lange Nummer an ihren Aktennamen angehängt, dennoch war sie die erste Versuchsperson des Sparta-Projekts, deren Schöpfer ihr Vater und ihre Mutter waren.
    Ihre Eltern hatten versucht, die Beurteilung der Fähigkeiten ihrer Tochter nicht ungebührlich zu beeinflussen. Aber selbst wo im Doppelt-Blind-Versuch ein Punkten unmöglich war, war ihre Meisterschaft unverkennbar. So wie es sich hier auf dem Bildschirm darstellte, hatte sie es noch nie zu Gesicht bekommen, und ihre Vortrefflichkeit genügte, um ihr die Tränen in die Augen zu treiben.
    Der Doktor stand sofort neben ihr. »Stimmt etwas nicht?« Sie wischte sich die Tränen ab und schüttelte den Kopf, aber er ließ sich nicht so einfach abweisen. »Es gehört zu meinen Aufgaben, anderen zu helfen.«
    »Es ist nur – ich wünschte, sie könnten mir helfen«, sagte sie. »Und es mir selber sagen. Daß ich alles richtig mache.«
    Er zog einen Stuhl heran und setzte sich neben sie. »Das würden sie auch, wenn sie könnten. Aber sie können es wirklich nicht. Nicht unter diesen Umständen.«
    Sie nickte, antwortete aber nicht. Sie las weiter in der Akte.
    Wie würde sie auf das reagieren, was als nächstes kam? fragte er sich und beobachtete sie mit, wie er hoffte, rein beruflicher Neugier. Ihr Erinnerungsvermögen brach in ihrem 17. Lebensjahr plötzlich ab, nicht jedoch die Akte. Jetzt war sie beinahe 21 …
    Sie betrachtete den Bildschirm stirnrunzelnd. »Woher stammt diese Bewertung? ›Zellenprogrammierung‹. Das habe ich nie studiert. Ich weiß nicht einmal, was das ist.«
    »So?« Der Doktor beugte sich vor. »Wie lautet denn das Datum?«
    »Sie haben recht.« Sie lachte. »Das muß das sein, was für nächstes Frühjahr geplant ist.«
    »Aber sehen Sie doch, man hat Ihnen bereits Noten gegeben.«
    Sie lachte wieder und amüsierte sich köstlich. »Wahrscheinlich meint man, das sind die Noten, die ich erreichen müßte.«
    Für ihn war das letzten Endes keine Überraschung – und ihre Gedanken ließen keine Überraschungen zu. Der Wirklichkeitsbezug, den ihr Verstand für sie wiederhergestellt hatte, konnte nicht von ein paar Nummern auf einem Bildschirm verdrängt werden. »Sie glauben, Sie recht gut zu kennen«, sagte der Doktor trocken.
    »Vielleicht kann ich sie hereinlegen.« Der Gedanke schien ihr zu gefallen.
    Die Akte endete plötzlich mit dem Abschluß ihres Standardtrainings vor drei Jahren. Auf dem Bildschirm war nur das Erkennungszeichen es Instituts für multiple Intelligenz zu sehen: der Fuchs. Der schnelle, rote Fuchs. Der Fuchs, der viele Dinge weiß …
    Der Doktor bemerkte, daß ihre gute Laune länger als gewöhnlich anhielt, während sie das Erkennungszeichen betrachtete. Vielleicht beließ es sie in einer Gegenwart, die irgendeine Verbindung mit der Vergangenheit hatte.
    »Ja, vielleicht«, murmelte er.
     
    Er trennte sich von ihr an ihrer Zimmertür – sie begann bereits, ihn zu vergessen, und hatte schon vergessen, was sie beide gesehen hatten – und bewegte seinen massigen Körper die alten Treppen hinunter zu seinem Büro. Das zugige Ziegelgebäude mit den hohen Räumen, das man im späten 19. Jahrhundert am Fuße der Rocky Mountains als Tbc-Sanatorium gebaut hatte, erfüllte jetzt, 200 Jahre später, seinen Zweck als Privatsanatorium für gestörte Mitglieder aus relativ wohlhabenden Familien. Der Doktor tat sein Bestes für diejenigen, die man unschuldig hier eingewiesen hatte, aber der Fall L.N. 30851005 war etwas ganz anderes und nahm immer mehr seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.
    Auf seinem eigenen Bildschirm rief er die klinische Akte ab, die das Sanatorium seit ihrer Ankunft angelegt hatte. In diesem Augenblick ergriff ihn ein seltsames Gefühl – wenn ein Entschluß die Gedanken überrascht, und sei es auch nur ein ganz normaler, geschieht dies oft so rasch, daß er die Spuren seines eigenen Ursprungs auslöscht –, und plötzlich durchfuhr den Doktor ein warmer Schauder, die Gewißheit der sich offenbarenden
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