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Clementine

Clementine

Titel: Clementine
Autoren: Sara Pennypacker
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nicht gern in Margrets Zimmer, weil mich dort immer alles juckt.

    Mich juckt es in Margrets Zimmer überall, weil es dort aussieht wie auf einem Bild aus einer Zeitschrift. Alles passt zueinander und ist immer genau da, wo es hingehört, in Reih und Glied. Nichts in ihrem Zimmer ist kaputt. Und es ist total sauber – nicht der kleinste Schmutzfleck ist erlaubt. Eigentlich sieht auch Margret aus wie ein Bild aus einer Zeitschrift. Ihre Haare sind immer gekämmt – okay, waren sie jedenfalls – und ihre Kleider passen immer zueinander und ich glaube, sie schläft in der Badewanne, weil ich an ihr noch nie auch nur einen Krümel Dreck gesehen habe.
    Ich mag sie ja trotzdem, aber das ist nicht immer leicht.
    »Denk an die Regeln«, sagte Margret schon in der Tür.
    Während Margret unter dem Bett nach Mascara suchte, berührte ich aus Versehen ihre Lampe, einen Porzellanpudel mit einem Regenschirm, den Margret »Parasol« nennt, weil sie eben immer was Besonderes sein will. Margret fuhr ganz schnell herum, aber meine Hände waren noch schneller in meine Taschen gesprungen.
    »Okay«, sagte ich. »Und jetzt wird gefärbt.« Das nennt man Das-Thema-Wechseln.
    Es ist sehr schwer, mit einem Filzstift Haare zu färben, das kann ich euch sagen. Aber ich habe es geschafft. Ich habe alle Haarbüschel auf Margrets Kopf mit Flammendem Sonnenuntergang gefärbt, und dann kam mir noch eine wirklich großartige Idee und ich malte Flammender-Sonnenuntergang-Locken auf ihre Stirn und in ihren Nacken, damit ihre Haare noch mehr aussahen wie meine. Es war wunderschön, wie eine riesige Tätowierung mit verschlungenen Würmern. Wenn ich groß bin, werde ich Hunderte von Tätowierungen haben.
    Margret schaute in den Spiegel, dann schaute sie meine Haare an, dann schaute sie wieder in den Spiegel und sagte: »Okay, gut.«
    Und dann erzählte sie mir, dass sie Spangen für ihre Zähne bekommen würde.
    »Du meinst eine Klammer«, sagte ich.
    »Nein«, sagte sie. »Spangen. Eine ganz besondere Art von Zahnspangen. Das ist ein Schmuck.«
    »Ach so«, sagte ich. »Das weiß ich doch.«
    Hatte ich aber nicht gewusst. Okay, meinetwegen.

    Später am Abend, als ich gerade den schwierigen Teil vom Einschlafen erreicht hatte, nämlich in der Dunkelheit zu liegen und zu versuchen nicht an spitze Sachen zu denken, hörte ich das Telefon klingeln.
    Mein Dad sagte: »Hallo, Susan«, so heißt Margrets Mutter, und dann sagte er sehr lange gar nichts mehr. Danach sagte er: »Also, Susan, wir sollten uns erst mal beruhigen«, und dann sagte er wieder sehr lange gar nichts mehr. Und dann sagte er sieben Mal »tut mir leid« und das ist zweimal mehr, als er gesagt hat, nachdem er meiner Mutter erklärt hatte, dass ihre Latzhose neuerdings ja wohl ein bisschen eng säße.
    Ich hörte ihn in Brokkolis Zimmer gehen, um ihm Gute Nacht zu sagen – meine Mom legte ihn gerade schlafen. Dann hörte ich meine Eltern flüstern, während sie den Flur entlang zu meinem Zimmer kamen.
    Und ich dachte, das wäre doch der ideale Zeitpunkt, um zu üben, wie man sich schlafend stellt.
    Ich konnte spüren, wie sie in der Tür standen und bestimmt dachten: Diese Schwierige macht viel mehr Probleme als der Pflegeleichte. Dann sagte mein Dad: »Ich bin ganz sicher, dass Clementine ihr nur helfen wollte. Margret hat sich solche Haare gewünscht, wie Clementine sie hat. Du weißt doch, dass sie schon immer ein bisschen neidisch war.«
    So etwas Verrücktes hatte ich noch nie gehört, an Margret ist doch alles genau richtig. Aber das konnte ich ihnen nicht sagen, denn wenn man sich schlafend stellt, ist es wichtig, dabei nicht zu reden.

      

3. KAPITEL
    An den Schulteil vom Dienstag mag ich gar nicht denken, dann werde ich nur wütend. »Margrets Mutter hat der Lehrerin heute einen Zettel geschrieben und darauf stand: Sorgen Sie dafür, dass meine Tochter nicht mit Clementine allein ist!«, erzählte ich meiner Mom, als ich nach Hause kam.
    »Margrets Mutter regt sich im Moment eben etwas auf«, sagte meine Mom. »Das würde mir wahrscheinlich auch so gehen.« Dann durfte ich mir Marmelade in die Milch rühren, sozusagen als Trost.
    Ich sah aber vermutlich immer noch stocksauer aus, als mein Dad hereinkam. Er brauchte nur einen Blick in mein Gesicht zu werfen, dann gab er mir den Schlüssel zum Lastenaufzug. Mein Dad ist Hausmeister für den ganzen Wohnblock. Er sagt, das bedeutet, dass alle Leute im Block und sogar die Tauben seine Chefs sind. Aber er hat die Schlüssel
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