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Clark Mary Higgins

Clark Mary Higgins

Titel: Clark Mary Higgins
Autoren: Schlaf Wohl Mein Sußes Kind
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der Wohnung. Als er den Deckel des Kofferraums
zuschlug, hatte er zum erstenmal das Gefühl gehabt, daß er es
schaffen und unentdeckt bleiben würde.
Es war die reinste Hölle für ihn gewesen, noch einmal in die
Wohnung zurückzugehen, um sich zu vergewissern, daß es keine Blutspuren mehr gab und keinerlei Anzeichen dafür, daß er
hiergewesen war. Mit jedem Nerv drängte es ihn jetzt, die Leiche sofort in den State Park hinauszuschaffen, aber er wußte,
daß dies Wahnsinn wäre.
Der Polizei könnte es auffallen, wenn jemand mitten in der
Nacht versuchte, in den Park zu gelangen. Daher ließ er den
Wagen sechs Straßen weiter stehen, verbrachte seinen Abend
wie gewohnt und machte sich erst gegen fünf Uhr morgens auf
den Weg, zusammen mit den Arbeitern der ersten Frühschicht…
Nun war alles in Ordnung, sagte er sich. Er konnte sich wirklich in Sicherheit wiegen.
Doch genau in dem Augenblick, als er den letzten wärmenden
Schluck Whisky austrank, kam ihm der einzige furchtbare Fehler zum Bewußtsein, den er gemacht hatte, und er wußte genau,
wer ihn unweigerlich entdecken würde.
Neeve Kearney!

2
    Der Radiowecker schaltete sich um halb sieben Uhr ein. Neeve
streckte die rechte Hand aus und tastete nach dem Knopf, um
die betont muntere Stimme des Nachrichtensprechers zu dämpfen, doch dann hielt sie ein, als die Bedeutung dessen, was er
sagte, in ihr Bewußtsein drang. Zwanzig Zentimeter Schnee
waren in der Nacht gefallen. Vom Autofahren wurde dringend
abgeraten. Jede Parkerlaubnis auf den Straßen der Stadt war
aufgehoben. Weitere Mitteilungen über die Schließung von
Schulen sollten folgen. Laut Wetterbericht würden die Schneefälle bis zum späten Nachmittag anhalten. Scheußlich, dachte
Neeve und zog sich die Steppdecke über den Kopf. Es paßte ihr
gar nicht, daß sie nicht wie üblich joggen konnte. Dann stöhnte
sie auf, weil ihr die vielen Kleideränderungen einfielen, die heute fällig waren. Zwei ihrer Näherinnen wohnten drüben in New
Jersey und konnten vermutlich nicht nach New York kommen.
Das bedeutete, daß sie besser früh im Geschäft war, um den Anprobenplan von Betty, der einzigen verbleibenden Schneiderin,
entsprechend abzuändern. Betty wohnte in der 82. Straße und
ging bei jedem Wetter die sechs Häuserblocks bis zum Geschäft
zu Fuß.
    Da ihr vor dem Augenblick graute, in dem sie die wohlige
Wärme des Betts verlassen mußte, schlug sie die Bettdecke mit
einem Ruck zurück, eilte quer durchs Zimmer und holte aus
ihrem Kleiderschrank den alten Frotteebademantel, von dem ihr
Vater behauptete, er stamme noch aus der Zeit der Kreuzzüge.
»Wenn eine der Frauen, die für ein Heidengeld ihre Kleider bei
dir kaufen, dich in dem Lumpen sehen könnte, würde sie sofort
zur Konkurrenz gehen.«
    »Wenn meine Kundinnen mich in diesem Lumpen sehen
könnten«, hatte sie geantwortet, »würden sie mich einfach für
exzentrisch halten. Und das würde meinen Nimbus nur vergrößern.«
    Sie schlang den Gürtel um die Taille und empfand wieder
einmal das flüchtige Bedauern, nicht die gertenschlanke Figur
ihrer Mutter geerbt zu haben, sondern die breitschultrige Gestalt
ihrer keltischen Vorfahren. Dann bürstete sie ihr welliges, tiefschwarzes Haar zurück, das die Familie Rossetti kennzeichnete.
Sie hatte auch die Augen der Rossettis mit der bernsteinfarbenen, gegen den Rand zu dunkler werdenden Iris, die sich leuchtend von dem sie umgebenden Weiß abhob, große, fragende
Augen unter schwarzen Wimpern. Doch ihr Teint war weiß und
rings um die gerade Nase mit Sommersprossen gesprenkelt. Der
volle Mund und die starken Zähne waren das Erbe ihres Vaters,
Myles Kearney.
    Vor sechs Jahren, als sie das College beendet und ihrem Vater
klargemacht hatte, daß sie nicht beabsichtigte, zu Hause auszuziehen, hatte er darauf bestanden, daß sie ihr Zimmer neu einrichtete. Daraufhin hatte sie auf Auktionen bei Christie’s und
Sotheby’s eine Reihe ausgesuchter Möbelstücke erstanden: ein
Messingbett, einen antiken Schrank, eine indische Kommode,
einen viktorianischen Sessel, dazu einen kleinen, leuchtend bunten Perserteppich. Bettüberwurf und Kissen waren jetzt weiß,
der Sessel neu mit türkisfarbenem Samt im selben Ton bezogen,
der auch im Muster des Teppichs vorkam. Die rein weißen
Wände ließen die schönen Gemälde und Stiche zur Geltung
kommen, die aus der Familie ihrer Mutter stammten. Die Zeitschrift Women’s Wear Daily hatte Neeve für eine Reportage in
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