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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)
Autoren: Laura Amy Schlitz
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nicht angezogen?«
    »Nein, Mama. Das ist meine Schuld, Mama. Agnes hat mir gesagt, ich solle stillhalten, damit sie mich frisieren kann, aber ich habe es einfach nicht ausgehalten.«
    Mrs Wintermute lächelte nachsichtig. »Ich vermute, du bist aufgeregt.« Eine kleine Falte trat zwischen ihre Augenbrauen. »Aber du wirkst ziemlich erhitzt, Liebes.« Sie berührte mit den Oberseiten ihrer Finger prüfend Claras Wangen und Stirn.
    »Mir geht es sehr gut, Mama.«
    »Das ist nur die Aufregung, Madam«, fügte Agnes hinzu.
    Mrs Wintermute entspannte sich wieder. »Ja, das wird es sein. Clara, Liebes, dein Papa wurde heute Morgen zu einem Patienten gerufen, aber er hofft, rechtzeitig zu deinem Fest zurück zu sein. Hoffentlich bist du nicht enttäuscht. Wir wollten dir dein ganz besonderes Geschenk eigentlich zum Frühstück überreichen.«
    »Es macht mir nichts aus, zu warten, Mama«, sagte Clara und meinte es aufrichtig.
    Mrs Wintermute streckte ihre rechte Hand aus und darin hielt sie eine Samtschatulle. »Papa meinte, wir müssten nicht auf ihn warten und ich solle dir das Geschenk jetzt geben. Wir dachten, du würdest es vielleicht gern zu deiner Feier tragen.«
    Clara blickte zu ihrer Mutter auf, erhielt mit einem Nicken die Erlaubnis und griff nach der Schatulle. Sie war rund und weich, für sich genommen schon ein begehrenswertes Schmuckstück. Behutsam glitt Clara mit den Fingernägeln unter den Deckel und öffnete ihn. »Oh!«
    In dem Kästchen lag ein Medaillon: ein goldenes Oval mit einer Bordüre aus dunkelblauer Emaille, einem kreisförmigen Ornament aus Saatperlen und einem Saphir in der Mitte. Clara verschlug es vor Staunen die Sprache. Sie kippte das Medaillon und beobachtete, wie der Saphir aufblitzte. Er war von einem tiefen, geheimnisvollen, fast schwarzen Blau.
    Mrs Wintermute lächelte mit Tränen in den Augen. »Mach es auf.«

2. Kapitel

     
    Lizzie Rose
     
    L izzie Rose war hungrig. Während sie den Wagen des Puppentheaters die Straße entlangschob, stieg ihr der köstliche Duft von den Ständen der Straßenhändler in die Nase: geröstete Maroni, gebackene Kartoffeln und Kaffee. Ihr Magen knurrte grimmig, weil sie seit dem Frühstück nichts gegessen hatte. Grisini hatte sich mittags wie üblich ein sausage roll geholt – das wusste sie, weil sein Atem nach Knoblauch gerochen hatte –, aber er hatte nichts nach Hause gebracht. So war Grisini. An manchen Tagen brachte er auch ihnen Würstchen im Teigmantel mit oder Fleischpasteten, kündigte ein Festessen an und rühmte seine eigene Großzügigkeit, indem er sich die Fingerspitzen küsste. An anderen Tagen stahl er sich wie eine Katze davon und kam mit vollem Magen zurückgeschlichen, ohne sich zu kümmern, ob Parsefall oder Lizzie Rose etwas zu essen hatten.
    Lizzie Rose schnüffelte. Parsefall hatte ebenfalls gegessen. Unter den Schmuddeljungen-Mief mischte sich der Geruch von Kohl mit Speck. Das musste er in der Küche ihrer Vermieterin erbeutet haben. Wahrscheinlich hatte er bei Mrs Pinchbeck gebettelt. Lizzie Rose freute sich einerseits für ihn, denn es machte ihr Sorgen, dass er so mager war. Andererseits konnte sie sich des Gedankens nicht erwehren, dass er genauso schlecht war wie Grisini: Er teilte nicht. Hätte sie bei Mrs Pinchbeck Essen ergattert, hätte sie ihm etwas abgegeben.
    Ein Rad des Puppentheaters blieb am Bordstein hängen. Grisini, der sich vor dem Wagen befand, wartete, dass Lizzie Rose es löste, um weiterzufahren. Lizzie Rose fasste die Unterseite des Karrens und zerrte ihn mit einem Ruck hoch. Zum zigsten Mal las sie den Schriftzug auf der Rückwand: DER PHÄNOMENALE PROFESSOR GRISINI UND SEINE VENEZIANISCHEN FANTOCCINI. Die Buchstaben waren pechschwarz und mit goldenen Schnörkeln verziert. Lizzie Rose hatte zugesehen, wie Grisini sie vor einer Woche erneuert hatte. Mit zusammengekniffenen Augen hatte er wild den Pinsel geschwungen. Erst hatte er die Buchstaben nachgemalt, dann die Ansicht eines Kanals in Venedig mit geflügelten Löwen, Gondeln und eine Tänzerin mit schwarzer Maske. Die Farben waren unnatürlich grell und die Buchstaben fast zu verschnörkelt, um sie lesen zu können, aber die Gesamtwirkung war unübertrefflich. Auch das war Grisini. Er war ein schlechter Vormund, vielleicht ein schlechter Mensch, aber ein begnadeter Künstler.
    »Foxy-Loxy«, zischte Parsefall ihr zu. »Ich bin dran mit Schieben.«
    Lizzie Rose reagierte nicht. Sie wusste, dass sie mit ihrem roten Haar und dem schmalen
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