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Ciao Mayer

Ciao Mayer

Titel: Ciao Mayer
Autoren: Hans-Jürgen Schlamp
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Ungerührt fuhr jeder weiter. Nur das Auto direkt hinter ihm, hatte bremsen und nach links ausweichen müssen. Ein kleines Manöver. Das war’s. Fortan floss der Verkehr weiter wie zuvor. Niemand nahm den Mann mit seinem Moped am rechten Fahrbahnrand auch nur wahr.
    Der rappelte sich auf, etwas beruhigt, weil er sich ganz offensichtlich nichts gebrochen und auch nicht wirklich verletzt hatte. Die Hose sah schlimm aus.
    „Wie Sau“, wütete Massimo aufs Neue los und hob das aufgeschlitzte linke Hosenbein bis übers Knie. Dann betrachtete er die Vespa. Die war ebenfalls glimpflich davon gekommen, wenn man sie hier und da ein wenig gerade bog. Der Rückspiegel war abgebrochen. Aber dem fehlte ohnehin schon länger das Glas - seit seinem letzten Sturz.
    Massimo hob sich schwerfällig auf das Moped. Auch wenn er nichts Ernstes abbekommen hatte - weh tat es schon, alles tat weh! Gerne wäre er jetzt in eine Bar eingekehrt, hätte eine Kleinigkeit gegessen, einen Salat vielleicht, eine Portion Lasagne oder einen Mozarella-Käse, oder das eine nach dem andern, aber - noch einmal schrie er laut: „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“ - er hatte keine Zeit.
    Er musste einen langen Bericht schreiben, so lang wie möglich. Das erwartete sein Chef von ihm, das war klar. Ein Knüller musste es werden. Gut. Nur woraus sollte der Knüller bestehen? Massimo stöhnte, wegen der Schmerzen und wegen seiner Ratlosigkeit. In der Redaktion würde er als erstes einen Freund bei der Polizei anrufen. Vielleicht hatte die ja schon etwas mehr herausgefunden und vielleicht wusste sein Freund davon und erzählte es ihm. Vielleicht.

    *

    Zumindest lang wurde Mayers Artikel. Er hämmerte den ganzen Abend auf die Tasten seines PC. 500 Zeilen ohne Inhalt, dachte Massimo. Er hasste solche Storys. „Fragezeichen-Geschichten“ nannte er sie: viel Spekulation, wenig Fakten. War der römische Jung-Star in dunkle Geschäfte verwickelt? Hatte er sich mit der Wett-Mafia eingelassen? War Rache das Mord-Motiv? Wollte der 18jährige auspacken?
    Massimo schrieb und schrieb und das, was er aufs Papier brachte, gefiel ihm immer weniger. Es war alles nur heiße Luft. Tatsächlich wusste er nichts über den Tod von Franco Motti. Auch sein Polizeifreund hatte ihn nicht weitergebracht. Staatspolizei und Carabinieri untersuchten den Fall parallel, hatte der berichtet. Damit wusste man schon, dass es endlos dauern würde, bis etwas herauskam - wenn überhaupt je etwas herauskam. Die beiden Ordnungsmächte waren sich spinnefeind, jede war ständig neidisch auf die andere. Beide behielten grundsätzlich für sich, was sie herausfanden. Regelmäßige Bekenntnisse zur engen Zusammenarbeit waren bloße Show fürs Volk. Die Carabinieri unterstanden dem Verteidigungsminister und die Polizei dem Innenminister und beide Politiker wollten sich schließlich profilieren. Dazu mussten „ihre Leute“ besser sein, als die anderen. Ob am Ende der Fall gelöst wurde, war zweitrangig.
    Unlustig setzte Massimo seinen Namen unter den Artikel, druckte ihn aus und trug ihn ins Büro des Chefredakteurs. Der redigierte prinzipiell nur auf Papier, nie am PC. Jetzt telefonierte er. Also legte Massimo die Seiten auf den Schreibtisch und verließ dessen Büro. Die Predigt über den Sermon, den er geschrieben hatte, käme noch früh genug.
    Er schlenderte zu Pippo hinüber. Pietro hieß der eigentlich; einer der wenigen netten Kollegen in der Redaktion, fand Massimo. Pippo blätterte in einer Illustrierten. Er war längst fertig mit seinem Tagewerk. Aber dessen Thema, bedauerte sich Massimo, war im Vergleich zu seiner vertrackten Geschichte auch wirklich ein leichter Fall: Ein Mann aus Kalabrien war morgens aus dem Tiber gefischt worden, offensichtlich erschlagen, aber man wusste nicht einmal, wo der oder die Mörder ihn so übel zugerichtet hatten. Dafür fanden sich die vermutlichen Mordwerkzeuge in seinen Taschen. Pippo breitete Fotos aus. Schlagringe, Fahrradketten, flache beige-weiße Steine.
    „Das müssen wirklich Schweine gewesen sein“, empörte er sich, „sieh nur: Erst zertrümmern sie ihm mit dem Zeug den Schädel und dann stopfen sie ihm die Sachen in die Jacken- und Hosentaschen, ekelhaft! Ein paar Steine dazu, damit er auch schön schwer wird, und ab in den Tiber. Wirklich abartig!“
    „Weiß man schon mehr?“ fragte Massimo.
    „Wie denn?“, Pippo sah ihn verdutzt an, „er ist doch heute erst gefunden worden! Für die erste Story reicht der Stoff allemal, allein die
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