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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
Autoren: H. P. Lovecraft
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Figuren spiegelt sich auch etwas von Lovecrafts Persönlichkeit. Dennoch passiert nicht wenig in diesen Geschichten, und Spannung ist ihnen nicht abzusprechen. Die Spannung kommt aber nicht aus menschlichen Beziehungsproblemen (die allenfalls am Rande eine Rolle spielen), sondern aus der Begegnung mit dem Fremden, Unerklärlichen, dem Grausigen und Monströsen.
    In einem seiner zahlreichen Gedichte (eine zweisprachige kommentierte Gesamtausgabe ist 2008–2011 bei Edition Fantasia erschienen) schreibt Lovecraft:
    »Can seeing intellect contented lie
    Within the confines of our tiny race,
    When overhead yawns wide the starry sky
    Pregnant with secrets of unfathom´d space?«
    (Phaëton, 1918).
    Das ist sozusagen der Gestus, die Grundhaltung der Lovecraftschen Erzählungen. Durch den Schrecken hindurch meldet sich die Neugier zu Wort, und hinter dem Abscheulichen steht die Faszination, hinter dem Grauen das Staunen.
    Die Vorworte zu den Einzeltexten im vorliegenden Band erschienen zuerst in der von mir, Joachim Körber und Uli Kohnle 1999–2001 herausgegebenen und inzwischen vergriffenen kommentierten Gesamtausgabe der Erzählungen Lovecrafts (Band 1–5 der mittlerweile 13 Bände umfassenden »großen« Gesamtausgabe Lovecrafts, von der weitere Bände in Planung sind). Sie wurden jedoch für diese Ausgabe überarbeitet und zum Teil erheblich verbessert, auch im Licht der explosiv weiterwachsenden Lovecraftforschung der USA. Ihr Zweck ist dabei nicht unbedingt wissenschaftlicher Art: Sie wollen nicht eine scheinbare literaturwissenschaftliche Objektivität erzeugen oder Ähnliches, sondern das Vergnügen an den Geschichten, die Lust an ihrer Welt durch konkrete Hintergrundinformationen vertiefen.
    Marco Frenschkowski
    Januar 2011

Vorwort zu »Dagon«
    Mitte 1917 war Lovecraft allmählich literarisch erwachsen geworden. Einen bürgerlichen Brotberuf hatte er nicht (und sollte ihn nie haben), aber aus der Lethargie seiner späten Jugend war er erwacht, hatte in der Welt des Amateurjournalismus viele Freunde gefunden (Menschen, die nicht für Geld, sondern nur um eines literarischen Ideals willen schrieben; der damals übliche Begriff »Amateure« ist insofern irreführend). Vor allem: Lovecraft hatte sein Thema gefunden: das Unheimliche, das Schreckliche. Freilich befindet er sich stilistisch noch in einer Phase des Experimentierens. E. A. Poe ist sein großes Vorbild (in der folgenden Erzählung noch deutlich zu spüren), aber er hat auch bereits Mut zu Eigenem.
    Die Erzählung ›Dagon‹ wurde wohl im Juli 1917 niedergeschrieben, mitten im 1. Weltkrieg, den Lovecraft aus der Distanz seines geliebten Neuengland wahrnahm (gerne wäre er Soldat geworden). Einige Vorkenntnisse sind wie immer bei Lovecraft erforderlich, um die Geschichte mit Verständnis lesen zu können. Dagon ist eine Gestalt des Alten Testaments, ein Gott der Philister (vor allem 1. Sam. 5; 1. Chron. 10). Da der Name an das hebräische Wort für »Fisch« anklingt (dag), wurde dieser Gott bei den Kirchenvätern gerne als fischgestaltig angesehen (in Wahrheit kommt der Name allerdings von einem kanaanäischen Wort dagan »Getreide«). Ein Gott der Meerestiefen, selbst fischgestaltig und mit einem Kult, der seit Urzeiten tot ist – das hat Lovecrafts Fantasie beschäftigt.
    ›Dagon‹ gilt mit Recht als ein frühes kleines Meisterwerk. Später hat Lovecraft in mehreren Essays einige Ideen dieser Geschichte verteidigt, z. B. den leblosen, monotonen Charakter des Ozeanbodens (im Gegensatz zum Boden in Küstennähe), sowie die Möglichkeit, dass große Landmassen unter dem Meer versinken und auch wieder auftauchen können (also das Atlantismotiv). Da Lovecraft meist keine sehr hohe Meinung vom Wert seiner Texte hatte und sein eigener schärfster Kritiker war, ist diese Verteidigung von ›Dagon‹ gegen Angriffe von Gegnern auffällig.
    Im wichtigsten dieser Essays (›In Defense of Dagon‹, 1921) schreibt Lovecraft u. a.: »Die Romantik beruft sich auf das Gefühl, der Realismus auf den reinen Verstand; aber beide ignorieren die Imagination, welche isolierte Eindrücke in prachtvolle Muster webt und seltsame Beziehungen und Assoziationen zwischen den Objekten der sichtbaren und unsichtbaren Natur findet. Die Fantasie existiert, um die Bedürfnisse der Imagination zu befriedigen, aber da Imagination so viel seltener ist als Emotion und analytischer Verstand, folgt es von selbst, dass dieser literarische Typ wenig verbreitet ist und nur wenige anspricht.
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