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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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Bemerkungen zu erheitern (die ihm in letzter Zeit zunehmend den Nerv raubten), sondern eine Gestalt, die höchstens halb so groß und um drei Viertel leichter war und außerdem ein anderes Geschlecht hatte. So viel zu der Frage, was er getan hatte, bevor er eingeschlafen war. Aber warum konnte er sich an nichts erinnern?
    »War es schlimm?«
    Zuerst verstand er die Frage nicht. Der Schatten rutschte wieder näher an ihn heran. Er hörte ein leises Knistern und roch den Duft von lockigem schwarzem Haar, das vor Kurzem noch über jeden Zoll seines Körpers geglitten war. Wenigstens sah er jetzt ein Profil, auch wenn es ihn irritierte und er es nicht zuordnen konnte.
    »Was?«, fragte er.
    Warme Haut, die klebrig von eingetrocknetem Schweiß war und andere Erinnerungen in ihm weckte, glitt an seiner Schulter herauf, und eine sehr schmale, warme Hand berührte seine Seite, tastete sich fast scheu weiter und blieb dann mit leicht gespreizten Fingern auf seinem Bauch liegen. Lippen, so weich wie Samt und süßer als der kostbarste Honig, berührten seine Halsbeuge und wanderten auf der Suche nach seinem Mund weiter.
    Andrej drehte den Kopf weg und griff zugleich nach ihrer Hand, lockerte seinen Griff aber auch sofort wieder, als er spürte, wie dünn und zerbrechlich das Gelenk war. Aber er ließ nicht los.
    »Nicht«, sagte er.
    »Wart Ihr nicht zufrieden, gnädiger Herr?« Ihre Stimme klang leise und ehrlich besorgt, und prompt meldete sich sein schlechtes Gewissen.
    »Ich meine: Habe ich Euch nicht gefallen?«
    Er konnte sich nicht einmal erinnern. Oder doch: Es hatte ihm gefallen. Aber das machte es eher schlimmer. Ihre Zerbrechlichkeit und ihre mädchenhaft kleinen Brüste an seiner Haut schürten nur noch sein schlechtes Gewissen, jemand mit auf sein Zimmer genommen zu haben, der ihm beim besten Willen nicht gewachsen war.
    »Das ist es nicht«, sagte Andrej, indem er sich weiter aufsetzte und ganz automatisch die Decke enger um sich schlang, sodass der schlanke Körper neben ihm nun fast völlig entblößt war. »Wirklich, es hat nichts mit dir zu tun. Ich war nur … es tut mir leid.«
    Einen Moment herrschte Stille, dann sagte sie mit einer Stimme, die plötzlich sehr viel energischer klang: »Ihr hattet einen schlechten Traum, nicht wahr?«
    »Habe ich dich erschreckt? Das wollte ich nicht.« Er hatte ihr doch hoffentlich nicht wehgetan, so zerbrechlich, wie sie war!
    »Das habt Ihr auch nicht, gnädiger Herr … oder wenigstens nur ein bisschen.«
    Gegen seinen Willen musste Andrej lächeln, auch wenn da noch immer etwas Fauliges auf seiner Seele lag, wie der schlechte Geschmack im Mund, nachdem man versehentlich etwas Verdorbenes gegessen hat, der einfach nicht weggehen will, ganz egal was man auch versucht. Behutsam setzte er sich noch weiter auf, schob ihre Hand endgültig von sich weg und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Sie waren so rissig und spröde, als wäre er stundenlang durch die Wüste geirrt. Sein Herz schlug noch immer schneller, als es sollte.
    Die junge Frau hauchte ihm noch einen Kuss auf die Wange, der diesmal aber eher freundschaftlich ausfiel, dann glitt sie unter der Decke hervor und stand auf. Als es raschelte, vermutete Andrej, dass sie sich nach ihren Kleidern bückte, um sich anzuziehen. Trotz seines schlechten Gewissens empfand er ein sachtes Bedauern. Er wollte jetzt nicht allein sein.
    Statt sich anzukleiden, richtete sie sich jedoch bald wieder auf, tappte vorsichtig in der Dunkelheit zum Tisch. Dann klickte es, Funken sprühten, und danach erhellte die Flamme einer ruhig brennenden Kerze die winzige Dachkammer. Schatten flohen auf lautlosen Pfoten vor dem Licht, verschwanden aber nicht ganz, sondern kauerten in Ecken und Winkeln, um ihn von dort aus zu belauern.
    Die junge Frau schenkte zwei Gläser Wein aus einem Krug ein, kam zurück und sah ihn so lange auffordernd an, bis er die Decke zurückschlug und sie sich an seine Seite kuscheln konnte. Andrej nahm das Glas entgegen, das sie ihm reichte, nippte vorsichtig daran und behielt den Schluck länger im Mund, als nötig gewesen wäre. Nicht etwa, um das Aroma des billigen Fusels zu genießen, sondern um den üblen Geschmack loszuwerden, den der Albtraum auf seiner Zunge zurückgelassen hatte – wie feuchte Erde, in der etwas bei lebendigem Leib vermodert.
    »Wollt Ihr darüber reden, gnädiger Herr?«, fragte sie, als er auch nach einer ganzen Weile nichts sagte, sondern nur an ihr vorbei ins Leere starrte.
    Er
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