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Chimären

Chimären

Titel: Chimären
Autoren: Alexander Kröger
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zeitliche Grenze – wollten die beiden als eine Art Probezeit ansehen.

    M it den vier Schäferhundwelpen, zwei Mitarbeitern und zwanzig weiteren Jungtieren zog Master Shirley Lindsey in den renovierten, zum Teil erweiterten, streng von den anderen abgetrennten Trakt des Instituts, der ihr Reich sein sollte, für den und alles, was sich darin tat, sie die Verantwortung zu tragen hatte.
      Was sich Lehmann eigentlich von dem Großversuch versprach, ließ er nicht verlauten. Seine Aussage war lediglich: Für derart Revolutionäres sei Sicherheit des Funktionierens allerhöchstes Gebot. Dass das Experiment einmal gelungen war, könne Zufall sein, auf keinen Fall ein Ereignis, das die Fachwelt überzeugen müsse, zumal man den Weg zum Erfolg aus Wettbewerbsgründen nicht preisgeben werde.
      Auf Shirley Lindseys Einwand, es werde keine Fachleute geben, die zu überzeugen wären, da die Arbeiten gesetzwidrig, geheim und unter Ausschluss jeder Öffentlichkeit stattfänden, hatte Lehmann gelächelt und gemeint, es sei nicht aller Tage Abend. Zahlreiche bedeutende Erfindungen sind im Geheimen entstanden, andere habe man zunächst verlacht oder als Höllenzeug verteufelt. Vor den ersten Automobilen in England musste ein Mensch mit einer Fahne vornweg laufen, um die Passanten vor dem anrollenden Vehikel zu warnen. Auch das hatte der Gesetzgeber so gewollt…
      Das sei wohl schwerlich vergleichbar, hatte Shirley gemeint.

    Doch, nur auf der Entwicklungsspirale ein höherer Level, so Lehmann…

    I m flachen, quadratmetergroßen Flechtkorb balgten vier niedliche Welpen, Schäferhundwelpen. Ihr Gebaren unterschied sich in nichts von dem ihrer Artgenossen. Betrachtete man jedoch genauer, gewahrte man, dass die Köpfe zweier dieser drolligen Vierbeiner ein wenig unproportional zum Körper geraten schienen. Die Augen standen verhältnismäßig breit, und der Blick dieser Augen irritierte… Die Kopfhaare stachen von denen des übrigen Körpers ab, so strähnig und lang, wie sie waren. Außerordentlich überrascht wäre ein fremder Betrachter – nicht so Shirley Lindsey – als aus dem Korb nach einem heftigen Gewirre der harte Ruf „Au“ erschallte. Die Stimme klang rau, das Wort verschliffen, aber noch durchaus verständlich.
      Shirley Lindsey durchströmte ein ungeahntes Glücksgefühl, gemischt mit Stolz. ,Sie werden sprechen, werden sprechen!’ Der Satz füllte ihr Denken. ,Eine Sensation! Man wird jedes Organ züchten und okulieren können, ich we rden es können, ich !’
      Die Frau trat an den Korb, wählte und nahm eines der Geschöpfe auf den Arm. Befriedigt betrachtete sie die kleine Narbe an dessen Kopf. Bald würden Haare sie verdecken und unsichtbar machen. „Lux“, hauchte sie in das kupierte Ohr, „Lux“.
      Der Kleine stutzte, suchte Blickkontakt. Dann öffnete er das Maul, erzeugte ein gutturales Geräusch, in dem man bei genauem Hinhören das Wort „Lux“ erkannte.
      „Bravo, bravo!“ lobte Shirley Lindsey. Sie setzte das Tier befriedigt in den Korb zurück.
      Der Sicherheitsautomat der Tür summte; Boris Remikow betrat den Raum.
      „Probleme?“, fragte die Lindsey.
      „Keine Probleme.“ Er hantierte mit dem Futternapf.
      „Fortschritte?“
      „Sie brabbeln wie – wie Einjährige, meine ich. Eigene Erfahrungen habe ich keine.“ Ein langer Satz für den wortkargen Russen.
      „Was sich hier tut, bleibt absolut unter uns, unter uns beiden! Auch Demond und die Masmer werden hier nicht einbezogen. Sie betreuen die Zugänge. Dem Chef berichte ich.“
      Der Angesprochene nickte. „Ich bin im Bilde“, entgegnete er zweideutig.
      „Die Tomogramme ohne Kommentar. Sind die letzten schon im Speicher?“
      „Ja. Sechs Prozent.“
      „Sechs Prozent Wachstum in drei Wochen…“ Shirley Lindsey dachte laut. „Die Remp soll eine Übersicht, am besten ein Diagramm entwerfen, das den Zuwachs in Abhängigkeit der Hauptparameter… Na, das Übliche. Den Ursprung aber braucht auch sie nicht zu erfahren.“
      „Wenn sie größer werden, werde ich es allein kaum mehr schaffen.“
      Shirley Lindsey überlegte einen Augenblick. „Darüber reden wir, wenn es so weit ist. Es wird sich ohnehin einiges ändern müssen, wenn erst die Außenstellen und Zweigniederlassungen des Instituts überall etabliert sind. Übrigens – keine schlechten Karriereaussichten für zuverlässige Leute.“ Aus dem letzten Satz klang ein wenig Spott.

    Shirley Lindseys Zweisamkeit
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