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Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Titel: Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)
Autoren: Peter Bergmann
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einmal ein Wunder retten konnte. Dazu waren seine Verletzungen zu schwer. Und in dieser gottverlassenen Wildnis geschahen keine Wunder. Niemals. Dennoch, so seltsam das klang in seiner Situation, gefoltert von rasenden Schmerzen, dennoch wollte er jede verbleibende Sekunde bewusst erleben. Er klammerte sich an jede wache Sekunde. Er brauchte diese Sekunden, um sie mit seinem grenzenlosen Hass auf den Verräter zu tränken. Denn sie hatten ihm gesagt, dass er verraten worden war – und von wem. Einen klaren Gedanken konnte er nicht mehr fassen. Doch ganz tief in seinem Inneren, aus dem das Leben langsam entwich, glaubte er fest daran, dass diese hasstriefenden Sekunden irgendwie, auf eine nicht näher erklärbare Art, ihn selbst überdauern würden. Sie würden überdauern und irgendwann ihr vernichtendes Werk tun. Irgendwann, wenn die Zeit der Rache gekommen war.
     

4___
    Olivia, die keine Ahnung vom Sterben Fred Millers hatte, wälzte sich währenddessen in ihrem Bett. Mike ging ihr nicht aus dem Kopf. Trotz allem. In den Nächten fühlte sie sich schwach. Die einsamen Nächte von L.A. Sie schlief nicht gern allein. Sie sehnte sich nach seinen Händen und schämte sich ihrer eigenen. „Verdammter Bastard!“, stöhnte sie. „Du verdammter Bastard!“
     

5___
    Im gleichen Augenblick, zweitausend Kilometer weiter östlich, Reisehöhe 30.000 Fuß. Die erste Klasse kaum besetzt. Lynx sah auf seine Uhr. Gleich nach dem Start hatte er Kaffee bestellt und der Stewardess 300 Dollar Trinkgeld gegeben. Sie hatte ihn lachend auf den vermeintlichen Irrtum aufmerksam gemacht. Er hatte sie mit seinen kühlen, blauen Augen angesehen, bis sie verstummte.
    „Es ist nichts los heute“, hatte er dann leise gesagt. „In einer Stunde schlafen alle. Sie gefallen mir. Ich zahle Ihnen dreitausend. Seien Sie pünktlich.“
    Das Lächeln der Stewardess erlosch, aber die 300 Dollar behielt sie. Lynx lag entspannt in seinem komfortablen Sessel. Er war mittelgroß, schlank und durchtrainiert, viele Frauen fanden ihn attraktiv. Die Stewardess glitt im Halbdunkel der leeren Sitzreihe neben ihn. Ein bisschen früher als erwartet.
    „Es ist wirklich nichts los“, flüsterte sie nervös. „Wollen Sie mir tatsächlich dreitausend Dollar geben?“
    Er nahm ein Päckchen neuer Hunderter aus der Tasche und hielt es ihr hin. Sie zählte sie oberflächlich und verstaute sie dann in der Seitentasche ihrer Uniformjacke. Seit den beinharten Sparrunden der vergangenen Jahre bedeuteten 3.000 Dollar auch für eine Stewardess schönes Geld. Trotzdem hätte sie bis vor 60 Minuten nicht im Traum daran gedacht, sich deshalb zu prostituieren. Aber er war ja auch ein attraktiver Mann. Fast wäre es ihr lieber gewesen, wenn er ihr nichts geboten hätte. Fast.
    „Und jetzt?“, fragte sie. Er sagte es ihr.
    Lynx erwartete viel und bekam es. Er war ziemlich sicher, dass sie nie erfahren würde, dass es sich um Falschgeld handelte. Nur ein erstklassiger Fachmann könnte die Blüten erkennen. Und wenn ... Würde sie etwa jemandem anvertrauen, wie sie sie verdient hatte?
    Während die Stewardess mit der gefüllten Jackentasche und ihrem frisch gepuderten Gesicht bereits wieder im Cockpit Kaffee servierte, kippte der Wagen, in dem nur noch der strebende Fred Miller saß, gerade über die Straßenkante in den Abgrund. Als er Dutzende Meter tiefer ein letztes Mal aufschlug und in Flammen aufging, schlief Lynx bereits. Ruhig und unbeirrt flog die Boeing Richtung Osten, der aufgehenden Sonne entgegen.

6___
    Noch etwas geschah genau zur gleichen Zeit. Dr. Ernst Vanetti, 37, bewegte seinen gleichaltrigen Volvo 164 mit fast 60 Stundenkilometern über die Südautobahn Richtung Wien. Es war Sonntagmorgen, wenig Verkehr. Sonst hätte er sich das Tempo auch nicht zugetraut. Andere Autos, die mit doppelter bis dreifacher Geschwindigkeit an ihm vorüber brausten, nahm er kaum wahr. Sie gehörten nicht zu seiner Welt. Seine Welt umfasste 60 km/h und einen Wagen aus richtig dickem Blech. Ein Panzer aus Schwedenstahl. Darauf fußte seine geringe Hoffnung, diese Autofahrt irgendwie zu überleben. Vanetti fuhr sehr konzentriert. Er kam von Gerda, seiner Sekretärin im astronomischen Institut, die ein kleines Haus in der Nähe von Baden besaß und eine große Schwäche für Männer. Was Frauen anging, zeigte sich Vanetti nie ängstlich. Aber jetzt fuhr er zurück in seine Wohnung im neunten Bezirk. Die akute Bedrohung durch die extreme Geschwindigkeit auf der Autobahn drängte
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