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Cheffe versenken (German Edition)

Cheffe versenken (German Edition)

Titel: Cheffe versenken (German Edition)
Autoren: Christiane Güth
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nicht geben – dachte ich jedenfalls.
    Gerd war ein tüftelnder Vollblutfrührentner und rollender Rasenanbeter. Bis vor vier Jahren hatte er als Concierge in einem noblen Bielefelder Hotel gearbeitet. Doch seit er sich bei dem Versuch, einem begriffsstutzigen Gast den Fahrstuhl zu erklären, mit seinem Frack in der Fahrstuhltür verheddert hatte, saß er im Rollstuhl. Das hinderte ihn aber nicht daran, den Rasen unseres Gartens in eine tadellose, nur durch wenige schmale Rollspuren unterbrochene Grünebene zu verwandeln. Er verbrachte ganze Tage in seiner Werkstatt und fabrizierte bizarre Geräte, die ihm die Gartenarbeit erleichterten. Besonders beeindruckend fand ich einen Vertikutierer, den er an seinen Rollstuhl montierte und holprig über den Rasen kutschierend hinter sich herzog.
    Mit der gleichen Hingabe werkelte Gerd in der Küche. Immer wenn Betty Spätschicht hatte, kochte er für Rahel – und nicht selten blieb auch für mich die eine oder andere Köstlichkeit übrig. Rahel liebte Gerds Kochkünste und Florence’ überschäumende Phantasie, und so verbrachte sie nach der Schule mehr Zeit mit den beiden als mit ihrer Mutter.
    »Hast du so früh am Morgen schon ein Rendezvous?«, fragte Gerd. »Und was hast du mit deinen Haaren gemacht? Die Frisur sieht umwerfend aus.«
    Florence und Gerd lächelten sich an.
    »Ich muss zu einem Vorstellungsgespräch …«
    Florence musterte meine Puppenbluse.
    »Aber doch nischt so!«
    Mit einem Ruck zog sie mich in die Wohnung. Ziel erreicht.
    Ich fragte sie nach einer zündenden Kleidungsidee, und einen Augenblick später schleppte sie eine bunt gemischte Kollektion ihrer Garderobe herbei. Ich hatte die Wahl zwischen geblümten Rüschenblüschen und sackförmigen Leinenkombinationen.
    »Na ja, für Bernold Bellersen vielleicht nicht das Richtige …«, warf ich zögernd ein. Ich wollte Florence’ Modegeschmack nicht direkt in Frage stellen.
    »Bernoo Bellersen?«
    Sie verdrehte die Augen.
    »Dieser windige Kerl?«
    »Kennst du ihn?«, hakte ich nach.
    »Oh non, nischt direkt, isch ’abe aber schon viele Dinge über ihn ge’ört. Bellersen soll unbereschenbar sein. Da gab es vor kurzem diese Todesfall an die Bahnübergang. Ma chère, darübär stand doch gerade etwas in der Zeitüng.«
    »Du meinst den Typen mit dem Porsche? Mein nachtragender Verehrer vom Radio hat es mir heute Morgen brühwarm ins Ohr geflüstert«, erinnerte ich mich.
    Gerd rollte ins Ankleidezimmer.
    »Ach Florence, jetzt verunsichere Trixi doch nicht. Und hör nicht auf das Gerede anderer Leute. Die Zeitungen übertreiben gern, wenn es um die Auflage geht.«
    »Aber Gerd, du ’ast doch selbst erzählt, wie Monsieur Bellersen bei dir im ’otel so eine komische …«
    »Hier, Trixi, versuch’s mal damit«, unterbrach Gerd seine Frau und reichte mir ein schwarzes Sakko. »Das stammt noch aus meiner Hotelzeit und ist schmal geschnitten. Kann durchaus als Damenblazer durchgehen. Die Länge müsste passen. Wenn ich aufstehen könnte, würdest du sehen: Wir sind ungefähr gleich groß.«
    Ich zog das Teil über. Es war zwar eine Männermontur, aber wenigstens verdeckte das Sakko die Unzulänglichkeiten der Bluse. Voilà, stilvolle Kleidung war eben doch kein Problem, und Florence’ Ausführungen über Bernold Bellersen erschienen mir gewohnt phantasievoll.
    »Und was ist mit eine elegante ’andtasche?«, rief Florence hinter mir her, als ich aus dem Haus stürmte. Dabei zeigte sie fragend auf meinen schlabbrigen Umhängebeutel und lief eilig ins Haus zurück.
    Auch das noch. Ich blieb stehen und schaute an mir herab. An ein Bürotäschchen hatte ich gar nicht gedacht – brauchte ich auch nicht, da ich abgesehen von einer Sporttasche, einem alten Wanderrucksack aus Schulzeiten, einem Seesack und meiner geliebten Riesenumhängetasche nichts dergleichen besaß. Ich überlegte, was ich tun konnte. Mir fehlte die Zeit, um noch einmal nach oben zu laufen und Bettys kitschigen Taschenfundus zu durchstöbern. Einen Augenblick später erschien Florence wieder in der Haustür und hielt mir ein bunt geblümtes Stöffchen mit Samtkordel hin, das sie als »operntaugliches Abendtäschchen« bezeichnete.
    Non, merci.

Weltklasse
    Ich hatte Glück, dass es nicht regnete, und nahm den kürzesten Weg. Klingelnd radelte ich durch die Fußgängerzone und passte auf, dass ich keine Passanten rammte. Als ich auf den Berliner Platz einbog, hatte ich einen Gedankenblitz. Mit dem Rad bei einem Bewerbungsgespräch in der
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