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Charlie + Leo

Charlie + Leo

Titel: Charlie + Leo
Autoren: Jochen Till
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wach?«, sagt er grinsend. »Keine Sorge, das war natürlich nur ein Witz. Ihr glaubt ja wohl selbst nicht, dass ich Lust habe, euch auch noch am Samstag zu ertragen.«
    Erleichtert ausgeatmete Luft durchströmt den Raum. Marie atmet ein bisschen heftiger als sonst in ihre Tüte.
    Schubert zieht ein Blatt Papier aus seiner Tasche.
    »Als Nächstes möchte ich darum bitten, dass mir jeder von euch seinen Namen, seine Telefonnummer zu Hause, seine Handynummer und seine E-Mail-Adresse aufschreibt. Nur für den Fall, dass sich da seit letztem Schuljahr was geändert hat.«
    Er steht auf und legt den Zettel auf einen der vorderen Tische.
    »Fangt einfach vorne an und gebt ihn dann nach hinten weiter«, sagt er. »Ich hole mir in der Zwischenzeit mal eben einen Kaffee, bin gleich wieder da.«
    Kaum ist die Tür zu, steigt der Geräuschpegel deutlich an. Um Antoinette schart sich eine Traube ihrer Anhängerinnen. Sie fangen an zu tuscheln und ihre Blicke wandern immer wieder zu Leo. Leo sitzt einfach nur da, als ob sie gar nicht anwesend wäre. Sie scheint überhaupt nicht wahrzunehmen, was um sie herum passiert. Selbst als Antoinette aufsteht, auf sie zugeht und sich demonstrativ direkt vor Leos Pult stellt, reagiert sie nicht, sondern starrt durch sie hindurch.
    »Hey, Emo!«, sagt Antoinette herausfordernd. »Heute schon geritzt?«
    Sie dreht sich grinsend zu ihren Anhängerinnen um, die dämlich kichern. Was sollte das denn sein? Ein Emo-Witz? Ritzen die sich immer, oder wie? Seltsames Hobby. Verdammt, ich weiß echt viel zu wenig über Emos, das muss sich ändern.
    Leo sieht Antoinette mit todernster Miene direkt in die Augen.
    »Nein«, sagt sie. »Bis jetzt noch niemanden. Wieso? Willst du die Erste sein?«
    »Nee, lass mal« erwidert sie. »Könnte ja ansteckend sein. Und ich hab echt keine Lust auf schwarze Klamotten, das sieht nämlich extrem scheiße aus.«
    »Dein Verlust«, kontert Leo. »Schwarz macht nämlich schlank, weißt du? Dann hätte sich auch das Problem mit dem Babyspeck, der da aus deiner Hose quillt, erledigt.«
    Oha. Volltreffer. Mitten in Antoinettes größte Problemzone. Es gibt nicht viele Mädels, die etwas Negatives über ihre Figur gesagt und es überlebt haben.
    »Willst du damit etwa sagen, dass ich fett bin?«, zischt Antoinette und stützt sich mit beiden Händen bedrohlich auf Leos Pult.
    »Nein«, antwortet Leo und bleibt supercool dabei. »Das muss man nicht extra sagen, das sieht doch jeder sofort.«
    Antoinette schnellt nach vorne, schnappt sich die Bändel von Leos Kapuze und zieht Leo zu sich heran.
    »Jetzt pass mal gut auf, du blöde Emo-Schlampe«, knurrt sie. »Wenn du unbedingt Ärger suchs t – kannst du gern haben.«
    Marie greift wieder nach ihrer Tüte.
    Leo bleibt immer noch cool und zieht etwas aus ihrer Hosentasche, ich kann aber nicht erkennen, was es ist. Ihre Hand bewegt sich unauffällig zu Antoinettes Bauchnabel.
    »Also«, sagt sie. »Erstens bist du zu mir gekommen, um Ärger zu suchen. Und zweitens: Wenn du nicht willst, dass deine Speckröllchen eine Feuerbestattung kriegen, würde ich lieber ganz schnell loslassen.«
    Das Ratschen eines Daumens über das Zündrad eines Billigfeuerzeuges erklingt zweimal.
    Antoinette schaut nach unten, lässt sofort die Bändel der Kapuze los und springt drei Schritte nach hinten, wobei sie fast über das nächste Pult fällt.
    »Die ist ja wohl total irre!«, kreischt sie hysterisch. »Die wollte mich abfackeln!«
    Ihre Mädels stürzen auf sie zu und versuchen, sie zu beruhigen.
    »Die ist ja gemeingefährlich, die hässliche Kuh!«, kreischt sie weiter. »Aber wart’s nur ab, das kommt doppelt und dreifach zurück! Du hast dich gerade mit der Falschen angelegt! Hörst du, du durchgeknallte Schlampe?«
    In diesem Moment sehe ich Leo zum ersten Mal grinsen. Sie setzt sich scheinbar in Zeitlupe wieder hin, entzündet das Feuerzeug und pustet die Flamme aus, als würde sie den Rauch aus einem qualmenden Pistolenlauf wegblasen. Sensationell. Wäre ich nicht bereits unsterblich in sie verliebt, allerspätestens jetzt wäre es um mich geschehen. Das ist nicht nur das schönste, sondern auch noch das coolste Mädchen der Welt.
    »Hier, Charlie«, höre ich eine Stimme neben mir und drehe mich wieder um.
    Simon, der neben mir sitzt, schiebt die Liste herüber, in die wir uns eintragen sollen. Na super. Als ob ich dafür jetzt gerade den Kopf hätte. Wie war noch mal mein Name? Ach ja, Braun. Charlie Braun. Meine Handynummer? Keine
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