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Chaos Erde

Chaos Erde

Titel: Chaos Erde
Autoren: John Brunner
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schlechte Nachricht. Die gute Neuigkeit ist, daß die Yelignesen endlich eingewilligt haben, auch Moskau, genau wie London, New York und Paris, in den Kreis der Städte aufzunehmen, die so rekonstruiert werden sollen, wie sie früher waren, um den Tourismus anzukurbeln.«
    Nachdem der Jubel verklungen war, ergriff jemand am anderen Ende der Ratstafel das Wort. »Und was ist die schlechte Nachricht?«
    »Das Moskau, für das sie sich entschieden haben, liegt in Idaho.«
     
    Die Aussicht verzehrt zu werden, war Rimpoche Quaddel derartig widerwärtig gewesen, daß er eine Wallung von Furcht verspürt hatte. Aufgrund dessen behielt er ein flottes Tempo bei, bis er sich nahezu außer Sichtweite seines Ausgangspunkts befand; oder, betrachtete man es aus anderer Warte, seines neuen Anfangspunkts. Als er sich zum erstenmal umblickte, konnte er die Glastüren, durch die er sich so wenig feierlich verabschiedet hatte, nicht mehr erkennen, weil ein grasbewachsener Hügel einen Großteil des kryogenischen Etablissements verbarg und auf dem umliegenden Gelände Blütensträucher wuchsen, vorwiegend rosa und blaue Hortensien. Der einzige Hinweis auf den Standort des Instituts war ein diskretes Schild, das auf die Nachbarschaft der Firma KryoSuspensionsklinik/ Auferstehungsinstitut und Altkleiderhandlung Absolut Null GmbH & Co. KG aufmerksam machte.
    Trotz der überstürzten Flucht fühlte Quaddel noch immer den Einfluß der Beruhigungsmittel. Auf alle Fälle war er alles mit beachtlicher Klarheit zu durchdenken fähig, statt daß er, wie es wohl angebrachter gewesen wäre, vor Entsetzen geschlottert hätte, weil er mutterseelenallein, ohne einen einzigen Freund, in einem unbekannten Zeitabschnitt der Zukunft, in einer Gesellschaftsform, die noch Geldverkehr pflegte (während er kein Geld hatte, obwohl sich jeden Moment herausstellen konnte, daß er einen enormen Schuldenberg abtragen sollte), und ohne zu ahnen, wohin es ihn eigentlich verschlagen hatte, in eine Situation geraten war, von der er nicht wußte, um was es ging und was sich noch ereignen mochte.
    Was, um alles in der Welt, sollte er nun anfangen?
    Alles vernunftbetonte Analysieren, zu dem er momentan imstande war, sagte ihm, daß sich nichts klügeres empfahl, als schleunigst einen möglichst großen Abstand zwischen sich und die zwei Kannibalen zu bringen… Nein, das war ungerecht. Man durfte nur den dicken Horace einen Kannibalen nennen, denn die andere Kreatur futterte ja Fleisch einer anderen Spezies. Aber halt: sie hatte ein eigenes Glied gemampft, um es Horace Dingsbums zu ermöglichen, auf mentaler Ebene den Geschmack mitzugenießen, also hatte sie sich eines Kannibalismusäquivalents an ihrer Spezies schuldig gemacht… Oder vielleicht nicht. Implizierte Kannibalismus nicht ein gewisses Maß an Unfreiwilligkeit seitens der zum Mahl bestimmten Person? In seinem Fall wäre allemal mit einer Verweigerungshaltung zu rechnen, er würde zappeln und schreien, während man ihn zum Kessel, zum Backofen oder irgendeiner sonstigen Zubereitungsvorrichtung trug, selbst unter der Wirkung der Tranquilizer. Von dem Glied einer Person ließ sich dagegen schwerlich behaupten, daß es dem Verzehr durch dieselbe Person mit Ablehnung begegnen konnte… Es zeichnete sich jedoch ab, daß in dieser Richtung betriebene Spekulationen fruchtlos bleiben sollten. Rimpoche Quaddel riß sich zusammen, atmete tief durch und verlegte sich darauf, sich weitergehende Eindrücke seiner Umgebung zu verschaffen.
    Anscheinend war heute ein früher Frühlingsmorgen. An nahestehenden Bäumen gediehen frische Knospen zu Blättern. (Aber wieso blühten dort hinten schon Hortensien? Quaddel spähte schärfer hinüber. Ach, Plastik!) Weite Bereiche des Himmels strahlten blau, obwohl die Sonne verwaschen hinter Schleiern gräulicher Wolken leuchtete. Die Luft war lau, doch durchzog ein rauchiger Geruch, der in den Augen brannte, den leichten Wind. Er beschattete die Augen mit der Hand und blickte sich nach Anzeichen von Wohngebieten um; sofort bemerkte er ein weiteres Schild, diesmal in Form einer Brettertafel.
    HERZLICH WILLKOMMEN IN
S U B U R B I A
128 Einw.
Zimmer frei
    Dahinter erstreckte sich eine Wohnviertelstraße, wie er sie in seinem vorherigen Leben zu Tausenden gesehen hatte: Häuser in grundsätzlich gleichem Architekturstil säumten beide Seiten, waren jedoch einfallsreich mit Gartenhäuschen, angeschraubten Wintergärten, zusätzlichen Garagen sowie mit Pechnasen versehenen Zinnen aus
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