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Chaos Erde

Chaos Erde

Titel: Chaos Erde
Autoren: John Brunner
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und einen Himmel, an dem Wolken dahineilten… Vielleicht war es doch nicht so übel, ins Leben zurückgeholt worden zu sein, auch wenn er nach den Härten, die er in seiner letzten Inkarnation durchleiden mußte, wahrlich wenigstens tausend Jahre des Nichtseins verdient gehabt hätte.
    Gleich darauf erregte eine Person seine Aufmerksamkeit, die in der Mitte des Foyers, in halbem Abstand zwischen Quaddel und der Schwelle zur Außenwelt, an einem wie ein Hufeisen geformten Tisch saß. Das Individuum trug einen grünen Chirurgenkittel und kniehohe, weiße Gummistiefel. Über den apfelroten Pausbacken glitzerten hellblaue Augen. Eine Mähne weißen Haars krönte die sommersprossige Stirn. Für einen längeren Moment hatte es den Anschein, als ob die offenbar männliche Person Quaddels Annäherung nicht zur Kenntnis nähme; dann jedoch teilten sich die Lippen zu einem breiten Begrüßungslächeln und entblößten Zähne, die weißer waren als die Kopfbehaarung.
    An der Vorderkante des Tischs, der bis auf ein Fläschchen mit rosa Pillen völlig leer war, identifizierte eine kleine Leuchttafel den Mediziner:
    DR. A. SCHNITZLER
Entlassung
    »Ich gratuliere zu Ihrer gelungenen Auferstehung«, rief der Arzt. »Willkommen in Ihrem neuen Leben!«
    »Ähm… ähm… vielen Dank«, nuschelte Quaddel, der sich nicht des Verdachts erwehren konnte, daß irgend etwas, sobald durch ihn eine unsichtbare Schranke, ein elektronischer Strahl oder etwas vergleichbares über- beziehungsweise durchquert worden war, den >Entlassungsmediziner< aktiviert hatte.
    »Ich habe die feste Angewohnheit, unseren Klienten den Schock des Auferstehens durch ein paar bewährte Witze zu lindern. Kennen Sie schon den über den Neuro-Patienten?« Der Beamte sprach mit zwei verschiedenen Stimmen weiter. »>Sind Sie früher Staatsoberhaupt gewesen?< – >Nein, Hauptwachtmeister der Autobahnpolizei.< – >So, Sie mußten also den Hauptverkehr meistern.< – >Ja, die Straßen waren ständig verstopft.< – >Ach, deshalb bezeichnet man Polizisten auch als Abführmittel.< Ho-ho-ha-ha! Gut, das wäre erledigt. Darf ich bitte Ihr Entlassungsformular haben? Vielen Dank.«
    Kaum hatte er den Umschlag in der Hand, riß er ihn auf; zügig huschte sein Blick über den Text. »Anscheinend ist alles in schönster Ordnung, Mr. Verdi«, sagte er. »Nun brauchen Sie bloß noch… Einen Moment!«
    Quaddel blinzelte ihn an.
    »Mr. Verdi, warum haben Sie das Entlassungsformular mit dem Namen >Rimpoche Quaddel< unterzeichnet?«
    »Weil ich Rimpoche Quaddel bin«, gab Quaddel verwirrt zur Antwort.
    »Und mit welcher Rechtfertigung behaupten Sie, jemand zu sein, der Sie nicht sind?« Die blauen Augen glitzerten nicht mehr, sondern verstierten einen stahlharten Blick. Quaddel hoffte, nun endlich eine Aufwallung echter Beunruhigung zu empfinden, ein Anzeichen dafür vielleicht, daß die Dumpfheit seiner Reaktionen nachließ, doch alles, was er fühlte, war eine Regung schwachen Mißmuts.
    »Wollen Sie leugnen, daß die Kostenrechnung auf diesem Entlassungsformular an Guido Sansepolcro Verdi ergeht?«
    »So? Ist mir noch gar nicht aufgefallen.«
    »Dann werfen Sie jetzt lieber einmal einen Blick darauf«, verlangte Dr. Schnitzler mit einem gewissen Sarkasmus und hob das Formular Quaddel so dicht vors Gesicht, als beabsichtigte er es auf seiner Nase aufzuspießen. Aber was Quaddel stutzig machte, war keineswegs der oben auf dem Formular angeführte Name; vielmehr war es die am Unterrand genannte Summe.
    Dreihundertundfünfundsechzig Milliarden Krediten?
    Was >Krediten< auch sein mochten, von Spielgeld konnte bestimmt keine Rede sein – nicht in einer Gesellschaft, die die Toten auferwecken konnte. Und er hatte das Formular unterschrieben, zwar nicht mit seinem richtigen Namen, aber wenn es um einen dermaßen hohen Betrag ging, fand man gewiß Wege, um ein so geringfügiges Hindernis auszuräumen.
    Während er verzweifelt nach einer Ausrede suchte (Ich habe überhaupt nie mit irgendwem eine KryoSuspension vereinbart. Sie ist vollständig gegen mein Willen geschehen. Können Sie mich nicht einfach wieder einfrieren, bis die Menschheit so hochentwickelt ist, daß sie ohne Geld wirtschaftet?), sah Quaddel, wie eine dürre, bleiche Hand mit dünnem, bleichem Handgelenk, das aus einem schwarzen Ärmel ragte, ihm das Formular vor der Nase fortriß. »Keine Sorge, nonno«, ertönte eine Stimme. »Darum habe ich mich schon gekümmert.«
    »Das denken Sie!« dröhnte eine hallstarke Baßstimme.
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