Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chaos Erde

Chaos Erde

Titel: Chaos Erde
Autoren: John Brunner
Vom Netzwerk:
sehen?«
    »Ja.«
    Plötzlich konnte Quaddel alles in vollkommener Schärfe erkennen. Sein Blick traf ein an der Vorderseite des Apparats angebrachtes Schild. Darauf stand die Beschriftung:
    DR. H.C. NULPE
    »Können Sie aufstehen?«
    Quaddel merkte, daß er auf einem ziemlich niedrigen, gepolsterten Tisch lag. Er spürte kaum ein Schwindeln, während er die Beine herumschwang, die Füße auf den Boden setzte und sich aufrichtete, und beiläufig nahm er wahr, daß sein unbekleideter Körper weder älter noch jünger wirkte, als er ihn in Erinnerung hatte. Es verblüffte ihn, wie deutlich er den Fußboden sehen konnte; früher hatte er eine Brille getragen.
    Aber warum bei allen ungezählten tibetischen Höllen war er eigentlich eingefroren worden? (Hier war es nämlich erschreckend uninteressant, betrachtete er die Umgebung als ersten Ausblick in eine neue Zukunft: er befand sich in einem langen, langweiligen Raum voller anonymer Schränke, an deren Türgriffen Nummernplaketten hingen. In mittlerer Entfernung sah er eine zweite, ganz ähnliche Maschine, die zweifellos auf die Anweisung zur nächsten Wiedererweckung wartete.)
    So energisch er es fertigbrachte, versuchte er die volle Kraft seiner aufrechten Empörung zu entfalten, aber es hatte keinen Zweck.
    »Können Sie laufen?«
    Mit leidlichem Erfolg bewältigte Quaddel ein paar Schrittchen.
    »Können Sie sich ankleiden?«
    Er zwinkerte. Im ersten Moment lag ihm die Gegenfrage auf der Zunge: »Was bitte soll ich denn anziehen?« Da bemerkte er, daß die Maschine ihm aus der Rumpfseite ein in Klarplastik gepacktes Bündel Kleidungsstücke entgegenhielt. Er nahm es und sah darin Unterwäsche, Socken, Schuhe, eine Hose, ein Sweatshirt und eine Sonnenbrille. Wenn wahrhaftig seit seinem Ableben viel Zeit verstrichen war – wie er annehmen mußte, denn er spürte nichts mehr von der Mattigkeit, die seinen durch Leukämie verursachten gesundheitlichen Niedergang begleitet hatte, so daß er zu der Schlußfolgerung neigte, geheilt worden zu sein –, wieso waren diese Klamotten dann in Schnitt, Farbe und sogar in der Stoffbeschaffenheit derartig altbekanntes Zeug?
    Ach! Vielleicht kam es den hier Verantwortlichen darauf an, ihn nach dem Aufwachen erst einmal mit vertrauten Sachen auszustatten.
    Er zog die Kleidung an. Alles paßte ihm bestens. Die Maschine wartete ab, bis er in den Schuhen stand. »Sie sind von allen Krankheitszuständen geheilt worden«, erklärte sie dann. »Betrachten Sie sich als im Vollbesitz sämtlicher normaler Körperfunktionen?«
    »Äh… Ich glaube ja. Nicht, daß ich schon viel Gelegenheit gehabt hätte, es zu überprüfen.«
    »Das stimmt mit meinen Feststellungen überein. Nach gesetzlicher Vorschrift sind Sie nun zu bestätigen verpflichtet, daß Sie voll und ganz in den Status eines bewußten, für alle öffentlichen und privaten Verbindlichkeiten haftbaren Intelligenzwesens zurückversetzt worden sind. Einzelheiten über die angefallenen Kosten für Aufsicht, Wartung und Flüssigsauerstofflieferungen sind in der Bestätigung aufgelistet. Bitte unterschreiben Sie. Jede anerkannte terranische Schrift ist statthaft.«
    Aus einer vorderen Rumpföffnung entrollte sich ein langer Papierstreifen, der Ähnlichkeit mit der Schlabberzunge eines rettungslos blutarmen Hunds aufwies. Quaddel wurde ein Stift in die noch ziemlich taube Hand gedrückt. Er befolgte die Aufforderung und kritzelte seinen Namen auf das Papier, weil er das Gefühl hatte, jede Diskussion müßte nur zu Scherereien führen. Flüchtig juckte ihn die Versuchung, die tibetische Schrift zu verwenden, beließ es dann aber doch friedlich beim lateinischen Alphabet.
    Die Extremitäten der Maschine falteten das Papier und schoben es säuberlich in einen Umschlag, den sie Quaddel aushändigten. »Bitte legen Sie die Bestätigung dem Entlassungsmediziner vor«, sagte der Apparat, »den Sie finden, indem Sie den Piktogrammen folgen.«
    Daraufhin wich er an die Wand zurück und verharrte dort in völliger Reglosigkeit.
     
    Fügsam schaute Quaddel sich nach den erwähnten Piktogrammen um. Er entdeckte eine Reihe grüner Pfeile, durch die er, indem er sich daran orientierte, in einen fensterlosen und auch sonst, sah man von den vielen geschlossenen Türen an beiden Seiten ab, gänzlich indifferenten Korridor gelangte. Zum Schluß mündete der Korridor in ein weiträumiges Foyer mit niedriger Decke und Glastüren am anderen Ende. Durch die Türen erblickte Quaddel Gras, Bäume, Blumenbeete
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher