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Cato 01 - Im Zeichen des Adlers

Titel: Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
Autoren: Simon Scarrow
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halt etwas länger warten. «
    Der unverhohlene Ehrgeiz des Tribuns war für Vespasian schockierend. Kannte das Machtstreben dieses Mannes denn wirklich keine Grenzen? Doch es gab noch eine näher liegende Frage, die einer Antwort harrte.
    »Wenn du nicht der Verräter bist, wer ist es dann?«
    »Diese Frage habe ich erwartet.« Vitellius lehnte sich zurück. »Ehrlich gesagt, hat es lange gedauert, bis ich dahinter gekommen bin. Eigentlich hätte ich es schon viel früher wissen müssen, auf jeden Fall, ehe Pulcher es aus dem Rädelsführer der Meuterei herausgeprügelt hat.«
    Auf einmal erinnerte sich Vespasian, wie Plinius an jenem Abend im Stabszelt die Schriftrolle angeschaut hatte, die er Titus abgenommen hatte, und dass er die Wachen ausgerechnet in dem Moment abgelenkt hatte, als der Dieb die Dokumententruhe durchsuchte. »Plinius!«
    »Plinius!« Vitellius lachte. »Der? Das ist doch nicht dein Ernst, Herr.«
    »Wenn nicht Plinius, wer dann?«
    »Ich an deiner Stelle würde mich mal in deiner näheren Umgebung umschauen.«
    »Was soll das heißen?« Beklemmung legte sich um Vespasians Brust.
    »Wenn Narcissus Recht hat, dann hat jemand versucht, mich mit dieser Aktion im Zelt hereinzulegen.«
    »Du streitest ab, dass du das Schriftstück stehlen wolltest? «
    »Nein«, antwortete Vitellius. »Aber die Schriftrolle, die Pulcher dir gestohlen hat, war unbeschriftet. Jemand muss sie rechtzeitig ausgetauscht haben.«
    »Die Schriftrolle kann unmöglich unbeschriftet gewesen sein«, entgegnete Vespasian lächelnd. »Mich hätte man auf keinen Fall täuschen können. Das Dokument war gar nicht mehr in der Truhe. Flavia hat es gefunden, sie meinte, Titus hätte …« Auf einmal gefror Vespasian das Blut in den Adern.
    »Flavia hat es gefunden. Wie praktisch.« Vitellius lächelte den Legaten an.
    »Das ist unmöglich«, murmelte Vespasian.
    »Das dachte ich zunächst auch. Doch das muss man ihr lassen, Flavia ist ganz schön gerissen.«
    »Aber … warum?«
    »Warum? Ich kann nicht behaupten, dass mir ihre Motive ganz klar wären. Ich nehme ihr die überzeugte Republikanerin, als die sie sich gern hinstellt, nicht ganz ab. Für wahrscheinlicher halte ich es, dass sie dir den Weg ebnen und deine Karriere fördern wollte.«
    »Meine Karriere?«, wiederholte Vespasian bestürzt.
    »Mein lieber Legat, du magst dir deine moralische Integrität ruhig als Verdienst anrechnen und glauben, dem Kaiser bedingungslos zu dienen sei die erste Pflicht deines Amtes, doch der Umstand, dass du keinen Verdacht gegen deine Frau hegst, macht dich zu einem umso nützlicheren politischen Werkzeug. Gäbe es einen besseren Kandidaten, die nach Claudius’ Sturz entstandene Lücke zu füllen, als einen Mann, der aufrichtig glaubt, dem alten Burschen nach bestem Vermögen loyal gedient zu haben? Der Plebs würde dich lieben. Ich wette, wenn du statt Antonius die Trauerrede für Caesar gehalten hättest, hätte man sie dir sogar abgenommen.«
    »Wie kannst du es wagen?«, sagte Vespasian leise, darum bemüht, seinen aufwallenden Zorn zu bezähmen. »Wie kannst du es wagen, zu behaupten, Flavia sei auch nur fähig, das zu tun, wessen du sie beschuldigst?«
    »Du hattest wirklich keine Ahnung? Ich nehme an, das gereicht dir als Ehemann zur Ehre. Übrigens bin ich sicher, du würdest einen großen Staatsmann abgeben, bloß bist du ein jämmerlicher Politiker. Die Männer, die Narcissus überfallen haben, gehörten einer Kavallerieeinheit an, die von Gaius Marcellus Dexter befehligt wird, einem Offizier des Scribonianus, der zufällig ein ferner Cousin deiner Frau ist. Ich hoffe, du hältst das nicht für einen Zufall. Finde dich damit ab; Flavias Tarnung ist weitgehend aufgeflogen. In nächster Zeit werde ich ein ernstes Wörtchen mit ihr reden. Rede ihr zu, ihre Machtspielchen aufzugeben, dann wird Narcissus über ihre Machenschaften vielleicht hinwegsehen. Wenn du deine Gemahlin auch weiterhin bei guter Gesundheit sehen willst, solltest du sicherstellen, dass ich niemals das Bedürfnis verspüre, jemandem von ihren außerplanmäßigen Aktivitäten zu erzählen. Bislang habe ich mein Wissen noch nicht an Narcissus weitergegeben. Wenn du mir Stillschweigen über alles gelobst, was wir hier besprochen haben, schone ich Flavias Leben. Ein gerechter Handel, meinst du nicht?«
    Vespasian starrte ihn an. Er wollte es nicht wahrhaben, doch sein Verstand destillierte die Beweise bereits erbarmungslos aus den Ereignissen der vergangenen Monate heraus.
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