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Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Titel: Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
Autoren: V.C. Andrews
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Oktober für mich immer ein bittersüßer Monat gewesen: Abschied vom Sommer und allem Strahlenden und Fröhlichen. Warten auf den Winter, auf Kälte, Öde und Frost.
    Warum dachte ich so etwas? In einem schönen, reichen Haus würde der Winter nicht finster und kalt sein, da gäbe es genug Heizöl, Kohlen, Kaminholz oder elektrische Heizung. Egal wie, ich würde es warm haben. Nach der Weihnachtszeit hätte ich dann schon so viel Fröhlichkeit in ihren einsamen Haushalt gebracht, daß keiner mich mehr gehen ließe. Sie würden mich brauchen… bitte, lieber Gott, mach, daß sie mich brauchen!
    Meilen vergingen, und plötzlich, wie um mich aufzuheitern, brach strahlender Sonnenschein durch die düstere Wolkendecke. Bäume leuchteten in bunten Herbstfarben auf, und ich war überzeugt, Gott wollte mir nach allem doch noch seine Gnade beweisen. Hoffnung schlich sich in mein Herz. Ich fing an, New England zu mögen. Es ähnelte so sehr den Willies – nur eben ohne Berge und schäbige Hütten.
    »Wir werden gleich da sein«, sagte Tony und berührte leicht meine Hand. »Schau einmal nach rechts und achte auf eine Schneise in den Bäumen. Der erste Blick auf Farthinggale Manor ist es wert, sich daran zu erinnern.«
    Ein Haus mit einem Namen! Beeindruckt wandte ich mich ihm zu. »Ist es wirklich so großartig, wie es klingt?«
    »In jeder Hinsicht großartig«, antwortete er schwermütig. »Mein Zuhause bedeutet sehr viel für mich. Mein Ur-Ur-Ur-großvater hat es bauen lassen, und jeder Erstgeborene, der es erbt, verschönert es.«
    Jillian schnaubte, als ob sie sein Zuhause verachten würde, aber ich war aufgeregt und ganz wild darauf, mich beeindrucken zu lassen. Sehr erwartungsvoll beugte ich mich vor und hielt nach der Schneise Ausschau. Kurz danach war es soweit, der Chauffeur bog auf eine Privatstraße ein, die von hohen, schmiedeeisernen Toren begrenzt wurde. Darüber wölbte sich ein Bogen, und in kunstvoller Verzierung stand dort: F ARTHINGGALE M ANOR . Beim Anblick der Tore, der Geister, Feen und Gnome, die zwischen den eisernen Blättern hervorspähten, schnappte ich nach Luft.
    »Wir Tattertons nennen das Haus unserer Vorfahren liebevoll Farthy«, erzählte Tony mit leiser Nostalgie in der Stimme. »Als kleiner Junge war ich überzeugt, nirgendwo auf der Welt gäbe es ein so schönes Haus wie das, in dem ich lebte. Natürlich gibt es prachtvollere als Farthy, aber nicht für mich. Mit sieben schickten sie mich nach Eton, weil mein Vater der Meinung war, in England verstünde man mehr von Disziplin als an unseren Internaten. In diesem Punkt hatte er auch durchaus recht. Aber die ganze Zeit in England träumte ich davon, nach Hause, nach Farthy zu kommen. Jedesmal wenn ich Heimweh hatte – und das war fast immer –, machte ich die Augen zu und tat so, als ob ich die Balsamstauden, die Tannen und Pinien riechen könnte, und ganz besonders den Salzgeruch des Meeres. Und wenn ich dann aufwachte, tat mir alles weh und ich wollte nur die feuchte, kühle Morgenluft auf meinem Gesicht spüren. Solche Sehnsucht hatte ich nach meinem Zuhause, daß es körperlich weh tat. Mit zehn gaben meine Eltern Eton als einen hoffnungslosen Fall auf, und ich durfte zurück – und das war dann ein wirklich glücklicher Tag.«
    Ich konnte ihn verstehen, denn nie hatte ich ein so schönes und riesiges Haus gesehen, aus grauen Steinen gebaut, die irgendwie an ein Schloß erinnerten – sicher nicht ganz unbeabsichtigt, wie ich annahm. Auf dem steilen, roten Dach erhoben sich Türmchen und kleine, rote Brücken, die dabei halfen, Teile des hohen Daches zu betreten, die sonst nicht zugänglich gewesen wären.
    Vor den hohen, breiten Treppen, die zum Haupteingang führten, ließ Miles die Limousine anhalten. »Komm«, rief Tony, plötzlich in guter Stimmung, »gönne mir das Vergnügen, dir Farthy vorzustellen. Ich genieße die Gesichter der Leute, die es zum erstenmal sehen, denn dann kann ich es selbst wieder mit ganz neuen Augen betrachten.«
    Gemeinsam mit Jillian, die uns bedeutend weniger enthusiastisch folgte, stiegen wir langsam die enormen Steinstufen hinauf. Riesige Töpfe mit zierlichen japanischen Pinien waren links und rechts neben dem Haupteingang postiert. Und ich konnte es kaum erwarten, das Innere zu sehen. Das Elternhaus meiner Mutter! Bald würde ich drinnen sein, bald ihre Räume und ihr Hab und Gut sehen.
    Mutter, endlich bin ich zu Hause!

 
    2. K APITEL
     
    F ARTHINGGALE M ANOR
     
     
     
    Nachdem ich meinen
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