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Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Titel: Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
Autoren: V.C. Andrews
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dem Fenster.
    Ich lehnte mich in den üppigen Ledersitz und versuchte, mich zu entspannen. Jillian war nun seit knapp einer Stunde ein Teil meines Lebens, und schon hatte ich den Eindruck, sie hatte kein Interesse an den Problemen anderer, weder an meinen noch an denen meiner Mutter. Noch stärker biß ich mir auf die Unterlippe und versuchte meine Gefühle zu verbergen. Und dann, wie es manchmal bei segensreichen Notlügen passiert, kam mein Stolz mit ganzer Macht zurück. Ich richtete mich auf, schluckte meine Tränen hinunter, der Klumpen im Hals verschwand. Ich straffte meine Schultern und zu meinem größten Erstaunen klang meine Stimme kräftig, ehrlich und völlig unschuldig: »Mutter und Vater haben sich in Atlanta kennengelernt und sich auf den ersten Blick verliebt. Daddy brachte sie dann ganz rasch zu seinen Eltern nach West Virginia, damit sie ein ordentliches Haus hätte, um dort die Nacht zu verbringen. Sein Elternhaus lag nicht genau in Winnerow, sondern mehr am Rande. Sie haben kirchlich geheiratet, mit Blumen, Trauzeugen und einem Priester, der den Hochzeitssegen sprach. Später fuhren sie dann für die Flitterwochen nach Miami, und als sie zurückkamen, ließ Daddy, nur meiner Mutter zuliebe, ein neues Bad an unser Haus anbauen.« Schweigen!
    Ein tödliches Schweigen, das ungeheuer lange anhielt –glaubten sie etwa meine Lügen nicht?
    »Nun, das war sehr nett und aufmerksam«, murmelte Tony, wobei er mich sehr merkwürdig ansah. »Ein neues Badezimmer, darauf wäre ich nie gekommen, aber praktisch, sehr praktisch.« Jillian saß da und hatte den Kopf weggedreht, als ob sie keine Einzelheiten aus dem Eheleben ihrer Tochter wissen wollte. »Wie viele Leute lebten denn bei deinen Eltern?« bohrte Tony weiter.
    »Nur Granny und Großpapa«, verteidigte ich mich. »Sie waren verrückt nach meiner Mutter, so sehr, daß sie sie nur Angel riefen. Da ging es Angel hier und Angel da, sie konnte einfach nichts falsch machen. Du hättest meine Granny gemocht. Sie ist vor einigen Jahren gestorben, aber Großpapa lebt noch immer bei Pa.«
    »Und an welchem Tag, in welchem Monat kamst du zur Welt?« fuhr Tony mit seinem Kreuzverhör fort. Er hatte lange, kräftige Finger, und seine Nägel glänzten.
    »Am 21. Februar«, antwortete ich und nannte zwar das richtige Datum, aber das falsche Jahr – ich sagte ihm Fannys Geburtsjahr, ein Jahr nach meinem. »Sie war schon über ein Jahr mit Pa verheiratet«, fügte ich hinzu. Ich nahm an, das klänge besser als eine Geburt genau acht Monate nach der Hochzeit. Das hätte den Eindruck erweckt, als ob meine Eltern es wahnsinnig eilig gehabt hätten, miteinander ins Bett zu kommen… Und erst als ich das ausgesprochen hatte, begriff ich tatsächlich, was ich gesagt hatte.
    Ich hatte mich selbst gefangen. Jetzt hielten sie mich erst für sechzehn, und ich konnte ihnen nie von meinen Halbbrüdern Tom und Keith erzählen, auch nicht von meinen Halbschwestern Fanny und ›Unsere‹ Jane. Dabei hatte ich doch allen Ernstes vorgehabt, die Hilfe der Eltern meiner Mutter zu gewinnen, um meine Familie wieder unter einem Dach zusammenbringen zu können. O Gott, vergib mir, daß ich zuerst an mich gedacht hatte!
    »Tony, ich bin müde. Du weißt, ich muß mich zwischen drei und fünf Uhr ausruhen, wenn ich auf der Party heute abend hübsch aussehen soll.« Ihre Miene wirkte leicht bekümmert, hellte sich aber rasch wieder auf. »Heaven, Schatz, du hast doch nichts dagegen, wenn Tony und ich heute abend für ein paar Stunden ausgehen, oder? In deinem Zimmer ist ein Fernseher, und im ersten Stock gibt es eine wundervolle Bibliothek mit Tausenden von Büchern.« Sie beugte sich vor und küßte mich leicht auf die Wange. Ihr Parfüm, das bereits das ganze Auto durchdrungen hatte, betäubte mich. »Ich hätte ja abgesagt, aber bis heute morgen hatte ich total vergessen, daß du kommst…«
    Meine Fingerspitzen waren eingeschlafen und prickelten, vielleicht weil ich sie so stark verkrampft hatte. Schon jetzt fanden sie also Ausreden, um mich loszuwerden. In den Bergen hätte keiner seinen Gast in einem fremden Haus allein gelassen. »Ist schon gut«, murmelte ich schwach. »Ich bin auch ein bißchen müde.«
    »Da siehst du es, Tony, sie hat nichts dagegen, ich hab’s dir ja gesagt. Außerdem werde ich das wiedergutmachen, Heaven Schatz, ganz bestimmt. Morgen werde ich dich zum Reiten mitnehmen. Du kannst doch reiten? Wenn nicht, bringe ich’s dir bei. Ich wurde auf einem Pferdehof
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