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Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Titel: Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
Autoren: V.C. Andrews
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nicht verdient. Am Anfang unserer Ehe liebte ich ihn, damals als er mir noch genug Zeit widmete. Leider hielt das nicht lange an, er vernachlässigte mich für seine Geschäfte. Vielleicht hast du ja schon von der VanVoreen Dampfschiff-Linie gehört, darauf war Cleave ungeheuer stolz. Seine dummen Boote und Schiffe beanspruchten seine ganze Aufmerksamkeit, sogar seine Ferien und die Wochenenden gingen dafür drauf – und ich wurde immer einsamer, genau wie deine Mutter…«
    Da unterbrach Tony sie: »Jillian, bitte schau dir mal das Mädchen genau an! Kannst du dir solche Augen vorstellen, solche unglaublich blauen Augen, genau wie deine, genau wie die von Leigh?«
    Mit einem kühlen, strafenden Blick beugte sie sich nach vorne. »Selbstverständlich ist sie nicht Leigh, nicht exakt, da ist mehr verschieden als nur die Haarfarbe. In ihren Augen liegt ein bestimmter Ausdruck – ein Ausdruck, der, nun ja, nicht ganz so unschuldig ist.«
    Ich mußte sehr aufpassen, mußte mehr daran denken, was meine Augen verraten könnten. Nie, niemals sollten sie auch nur ahnen, was zwischen Cal Dennison und mir passiert war. Wenn sie davon wüßten, würden sie mich genauso wie Logan Stonewall verachten, der geliebte Freund meiner Kindertage. »Jawohl, natürlich hast du recht«, stimmte Tony mit einem Seufzen zu. »Niemand gleicht einem anderen aufs Haar.«
    Die zwei Jahre und fünf Monate, die ich mit Kitty und Cal Dennison in Candlewick, kurz vor Atlanta, gelebt hatte, hatten mich doch nicht so erfahren gemacht, wie ich es jetzt gebraucht hätte. Kitty war siebenunddreißig als sie starb, aber ihr Alter war für sie bereits unerträglich gewesen. Und hier saß nun meine Großmutter, die viel älter als Kitty sein mußte. Trotzdem sah sie jünger aus. Außerdem wirkte sie äußerst zuversichtlich. In Wahrheit hatte ich noch nie eine so jugendlich aussehende Großmutter gesehen, obwohl man in den Bergen sehr früh Großmutter wurde, besonders wenn man schon mit zwölf, dreizehn oder vierzehn geheiratet hatte. Ich ertappte mich, wie ich am Alter meiner Großmutter herumrätselte.
    Im Februar würde ich selbst siebzehn, aber bis dorthin waren es noch ein paar Monate. Bei meiner Geburt war meine Mutter gerade vierzehn – und das war gleichzeitig auch ihr Todestag. Jetzt wäre sie also einunddreißig. Nun hatte ich ziemlich viel gelesen, und nach allem, was ich über den Bostoner Adel wußte, heiratete man nie, bevor die Ausbildung abgeschlossen war. Im Gegensatz zu West Virginia wurden Ehemänner und Kinder im Leben der jungen Bostoner Mädchen nicht für so entscheidend gehalten. Diese Großmutter hätte also bei ihrer ersten Heirat mindestens zwanzig sein können. Dann müßte sie jetzt wenigstens um die Fünfzig sein – dasselbe Alter, wie ich Granny am besten in Erinnerung hatte. Granny, mit ihren langen, dünnen, weißen Haaren, ihren verkrümmten Schultern und einem Buckel, mit ihren arthritischen Fingern und Beinen, ihren erbärmlich wenigen, eintönigen, dunklen Kleidern und ihren ausgetretenen Schuhen.
    Arme Granny, einmal warst du sicher genauso hübsch wie diese Frau.
    Intensiv und ungeniert hatte ich meine jugendliche Großmutter gemustert. Das trieb zwei kleine Tränen in die Winkel ihrer kornblumenblauen Augen, die genau wie meine eigenen aussahen; Tränen, die dort hängen blieben.
    Durch ihre kleinen, unbeweglichen Tränen ermutigt, konnte ich wieder sprechen: »Großmutter, was hat dir mein Vater von mir erzählt?« Ganz langsam kam diese Frage, zitternd, sehr ängstlich. Mir hatte Pa nämlich erzählt, er hätte mit meinen Großeltern gesprochen und sie würden mich in ihrem Haus willkommen heißen. Aber was hatte er ihnen außerdem noch erzählt? Immer hatte er mich verachtet und mir die Schuld am Tod seines »Engels« gegeben. Hatte Pa ihnen alles erzählt? Wenn ja, dann würden sie mich nie mögen, geschweige denn lieben lernen, und ich brauchte doch jemanden, der mich so liebte wie ich war – alles andere als vollkommen.
    Die schimmernden blauen Augen fixierten mich ausdruckslos. Es bedrückte mich, wie leer ihre Augen werden konnten, so als ob sie ihre Emotionen einfach an- und ausschalten konnte. Im Gegensatz zu ihren kalten Augen und den bedeutungsschweren Tränen, klang ihre Stimme angenehm warm: »Liebe Heaven, sei ein Schatz und nenne mich nicht ›Großmutter‹! Ich versuche so sehr, meine Jugend zu erhalten, und ich habe den Eindruck, meine Anstrengungen hatten Erfolg. Wenn man mich jetzt vor allen
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