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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht
Autoren: Ally Condie
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Provinzen gelangen könnte!
    An Abenden wie diesem – kurz vor einer Verlegung – hoffe ich jedes Mal, dass ich noch genau weiß, wo ich meinen Besitz versteckt habe. Heute bin ich als Letzte vom Feld zurückgekehrt, die Hände von dem Erdreich einer ganz anderen Stelle auf dem Feld auffällig geschwärzt. Deswegen habe ich mich so beeilt, zum Waschbecken zu gelangen, in der inständigen Hoffnung, dass Indie mit ihrer scharfen Beobachtungsgabe die andere Farbe meiner Hände nicht bemerkte. Auch hoffe ich, dass kein Schmutz aus dem Beutel fällt und niemand das sanfte Klingen hört, jenes verheißungsvolle Geräusch, wenn das Silberetui, der Kompass und der Tablettenbehälter aneinanderstoßen.
    In den Lagern verberge ich die Tatsache, dass ich eine Bürgerin bin, sorgfältig vor den anderen Arbeiterinnen. Obwohl die Gesellschaft unseren Status normalerweise vertraulich behandelt, habe ich zufällig mitgehört, wie andere Mädchen sich darüber unterhielten, dass ihnen ihre Behälter mit den drei obligatorischen Tabletten weggenommen wurden, was bedeutet, dass ihnen – wegen eines eigenen Fehlers oder eines Vergehens ihrer Eltern – der Status als Bürgerinnen aberkannt wurde. Sie sind Aberrationen, genau wie Ky.
    Unter der Aberration gibt es nur noch eine Stufe: die Anomalie. Aber man hört fast nicht mehr von Menschen, die als solche eingestuft wurden. Es ist, als hätten sie aufgehört zu existieren. Mir kommt es inzwischen so vor, als hätten nach dem Verschwinden der Anomalien die Aberrationen deren Platz eingenommen – jedenfalls in der kollektiven Wahrnehmung der Gesellschaft.
    In Oria haben wir nie über die Gesetze der Deklassifizierung gesprochen, und ich habe mir ständig Sorgen darüber gemacht, durch mein Verhalten die Herabstufung meiner Familie verursachen zu können. Inzwischen habe ich mir die entsprechenden Gesetze jedoch zusammengereimt – aus dem, was Ky mir erzählt hat, und aus den Gesprächen der Mädchen in Momenten, in denen sie sich unbeobachtet fühlten.
    Die Gesetze besagen: Wenn ein
Elternteil
deklassifiziert wird, ist die gesamte Familie betroffen.
    Anders, wenn ein
Kind
deklassifiziert wird. Dann trägt das Kind allein die Konsequenzen seines Regelverstoßes.
    Ky wurde wegen seines Vaters als Aberration eingestuft und nach dem Tod des ersten Markham-Sohnes nach Oria gebracht. Inzwischen weiß ich, wie wahrhaft außergewöhnlich Kys Situation war. Er konnte nur deswegen aus den Äußeren Provinzen zurückkehren, weil ein anderer getötet wurde, und das wiederum nur deshalb, weil Patrick und Aida hochrangiger gewesen sein mussten, als irgendjemand von uns ahnte. Ich frage mich, was aus ihnen geworden ist, und bei dem Gedanken daran wird mir eiskalt.
    Aber
, rufe ich mir ins Gedächtnis,
wenn ich fliehe, um Ky zu finden, kann ich meine Familie nicht zerstören
. Ich selbst kann herabgestuft werden, sie jedoch nicht.
    An diese Gewissheit klammere ich mich –dass sie und Xander weiterhin in Sicherheit sein werden, wo auch immer mich meine Suche hinführen wird.

    »Nachrichten«, verkündet die Funktionärin, als sie den Raum betritt. Es ist die mit der strengen Stimme und den freundlichen Augen. Sie nickt uns zu, bevor sie die Namen vorliest. »Mira Waring.«
    Mira tritt nach vorn. Sie erhält drei Nachrichten, wie immer. Die Funktionärin hat die Seiten schon ausgedruckt und gelesen, bevor wir sie zu sehen bekommen, weil es Zeit spart, wenn wir uns nicht alle am Terminal anstellen müssen.
    Indie hat keine Nachricht bekommen.
    Für mich ist nur eine dabei, von meinen Eltern und Bram zusammen. Nichts von Xander. Dabei hat er bisher noch keine Woche versäumt.
    Was ist passiert?
Ich balle eine Hand um meinen Beutel und höre, wie das Papier darin knistert.
    »Cassia«, sagt die Funktionärin. »Bitte kommen Sie mit mir ins Hauptgebäude. Wir haben einen Kontakt für Sie.« Die anderen Mädchen starren mich überrascht an.
    Mir läuft es kalt den Rücken hinunter. Ich kann mir denken, wer es ist. Meine Funktionärin, die mich über das Terminal überprüfen will.
    Ich sehe ihr Gesicht ganz deutlich vor mir, jeden eiskalten Zug.
    Ich will sie nicht sehen!
    »Cassia«, mahnt die Funktionärin. Ich drehe mich um und betrachte die anderen Mädchen und die Unterkunft, die mir plötzlich warm und gemütlich erscheint. Die Funktionärin geht mir auf dem Weg zum Hauptgebäude voraus, und ich höre schon beim Durchqueren der Eingangshalle das Terminal auf der anderen Seite summen.
    Einen
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