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Caroline

Caroline

Titel: Caroline
Autoren: Felix Thijssen
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ein Stückchen weiter bereits jemand saß. Als wir näher kamen, erkannte ich das Mädchen aus dem Hotel wieder. Sie schrieb in ihr Buch. Neben ihr stand dasselbe Hotelrucksackmodell wie meines.
    Nel ließ sofort meine Hand los und lief auf sie zu. »Bonjour«, grüßte sie.
    Das Mädchen blickte auf und errötete schüchtern. »O …«
    »Du bist Niederländerin, stimmt’s?«, stellte Nel fest. »Das mit gestern Abend tut uns Leid.«
    »Es war meine Schuld.«
    Nel streckte ihr die Hand hin. »Ich bin Nel. Das da ist Max. Manchmal ist er so galant wie ein Nilpferd.«
    Das Buch rutschte der jungen Frau vom Schoß, als sie aufstand. »Ich heiße Caroline. O … tut mir Leid, vielen Dank.« Ich hatte das Buch für sie aufgehoben und sie riss es mir aus der Hand.
    »Mir tut es auch Leid«, murmelte ich ein bisschen lahm.
    Caroline schaute mich einen Augenblick an, mit blassblauen Augen, in denen ein Funke Ironie glomm. »Ich bin daran gewöhnt«, sagte sie.
    Im gleißenden Licht unter den Tannen sah sie aus wie eine Maus, die jahrelang in einem Keller gelebt hatte.
    »Max kann sehr lieb sein, aber manchmal ist er ein Dussel, und außerdem hat er keine Ahnung von Frauen«, sagte Nel.
    Ich gab ein dusseliges Lachen von mir, bedankte mich bei Nel und legte ihr die Hand auf die Schulter, in der Absicht, auf die Suche nach der nächsten Bank zu gehen. Nel stieß mich mit dem Ellenbogen in die Seite und fragte: »Dürfen wir uns zu dir setzen? Wir wollten gerade picknicken.«
    Caroline zögerte. »Ja, natürlich …« Sie nahm ihren Rucksack von der Bank, um uns Platz zu machen.
    Ich setzte mich neben Nel, stellte unseren Rucksack auf meine Knie und schaute auf die Uhr. »Ich muss allerdings gleich die Telefonate mit Niessen und Bart erledigen«, sagte ich.
    Nel schaute mich argwöhnisch an, als frage sie sich, ob das eine weitere Unhöflichkeit war oder ob ich zur Abwechslung versuchte zartfühlend zu sein. »Ist in Ordnung, dann leiste ich solange Caroline Gesellschaft«, sagte sie schließlich und schaute das hässliche Entlein an. »Einverstanden?«
    Caroline nickte. »Ich habe auch so ein Lunchpaket vom Hotel dabei.«
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, wodurch es gleich ein bisschen fröhlicher und heiterer wirkte. Wäre sie die eigene Tochter, hätte man sich wahrscheinlich so weit an sie gewöhnen können, dass man nur noch die schöne Seele an ihr sah, die sie Nels Meinung nach besaß. Es fiel mir schwer, ihr Alter zu schätzen. Ohne das Lächeln sah sie aus wie eine sitzen gebliebene alte Jungfer in einem staubigen Büro, wie aus einer Dickens-Geschichte. Sie war so vernünftig, keine auffällige Kleidung zu tragen, doch ich hatte den Eindruck, dass ihr graugrüner Rock und die dünne khakibeige Hemdbluse aus einem teuren Modehaus stammten.
    »Was machst du so alleine auf Porquerolles?«, fragte Nel, während ich den Reißverschluss des Rucksacks öffnete und die sorgfältig verpackten Sandwiches mit Schinken und Käse, Hühnchen, Salat, Gurke und Tomaten studierte.
    Caroline schüttelte den Kopf. »Meine Mutter ist mit Freunden auf deren Jacht nach Monaco gefahren, aber ich hatte keine Lust, sie zu begleiten.«
    Es klang, als habe sie diese Entscheidung von sich aus getroffen, doch unwillkürlich drängte sich einem der Gedanke auf, dass sie sich zwischen den Schönen und Reichen von Monte Carlo, die sie vermutlich genauso gut gebrauchen konnten wie Zahnschmerzen, auch nicht besonders wohl fühlen würde.
    Einen Moment lang sagte niemand etwas.
    Ich holte die Weinflasche heraus und öffnete sie. Die Sonne schien auf das gelbliche Gras und die grünen Sträucher und Weingärten ein Stück weiter entfernt und es war so still wie stets zwischen zwölf und zwei im speisenden Frankreich. Ich schenkte Wein in eines der Plastikgläser vom Hotel und reichte es an Nel vorbei zu Caroline hinüber.
    »Ich danke Ihnen«, sagte sie und nahm es entgegen.
    »Du kannst ruhig Max zu mir sagen.«
    Caroline trank einen kleinen Schluck. »Schön kühl. Machen Sie hier Urlaub?«
    »Wir waren auf der Rückreise von einem erledigten Auftrag, da überkam Max das Bedürfnis nach ein paar Tagen Urlaub an einem romantischen Fleckchen«, antwortete Nel.
    Caroline schaute uns an. Ein hübsches rundes Kinn würde schon viel ausmachen, dachte ich bei mir. »Reisen Sie beruflich?«, fragte sie.
    »Max ist Privatdetektiv«, erklärte Nel, »und ich bin sein Dienstmädchen. Führst du Tagebuch?«
    Das graue Buch lag am Rande der Bank und
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