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Camp Concentration

Camp Concentration

Titel: Camp Concentration
Autoren: Thomas M. Disch
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sehr verwirrend finden, Mr. Sacchetti.« (Noch nennt er mich ›Mr. Sacchetti‹!) »Glauben Sie mir, wir im Lager Archimedes werden alles tun, was in unserer Macht steht, um Ihnen das Eingewöhnen zu erleichtern. Das ist meine Aufgabe. Ihre Aufgabe ist es zu beobachten. Und Ihre Beobachtungen zu interpretieren. Aber damit brauchen Sie nicht sofort anzufangen. Es dauert eine Weile, bis man sich an eine neue Umgebung gewöhnt hat, das ist mir völlig klar. Aber ich bin sicher, daß Sie sich dann im Lager Archimedes viel wohler fühlen werden, als Sie sich in Springfield gefühlt hätten, oder besser, als Sie sich in Springfield gefühlt haben. Sie wissen ja, daß ich die Aufzeichnungen gelesen habe, die Sie dort ...«
    Ich unterbrach ihn mit der Bemerkung, ich hätte es nicht gewußt.
    »Nun, Direktor Smede war so freundlich, sie herzuschicken, und ich habe sie gelesen. Mit großem Interesse. Übrigens hat man Ihnen dort nur auf meinen Wunsch erlaubt, ein Tagebuch zu führen. Ich wollte erst mal sehen, wie Sie das machen, bevor ich Sie hierherbringen ließ. Sie haben wirklich ein herzzerreißendes Bild von Ihrem Leben in Springfield gezeichnet. Ehrlich, ich war schockiert! Ich kann Ihnen versichern, Mr. Sacchetti, daß Ihnen hier keine solchen Qualen bevorstehen. Und außerdem kommen hier keine solchen widerlichen Techtelmechtel vor. Bestimmt nicht! Sie haben dort Ihre Zeit verschwendet, Mr. Sacchetti. Das war nicht der richtige Ort für einen Mann von Ihrem geistigen Niveau. Ich bin selbst eine Art Experte in der F & E-Abteilung. Nicht gerade das, was man ein Genie nennt, das würde ich nicht behaupten, aber doch wohl ein Experte.«
    »F & E?«
    »Forschung und Entwicklung. Ich habe eine Nase für Talente und bin innerhalb meines bescheidenen Wirkungskreises ziemlich bekannt. Auf meinem Gebiet. Mein Name ist Haast. Mit zwei a.«
    »Doch nicht General Haast? Der damals die Pazifikinsel erobert hat?« Ich nahm natürlich an, daß mich die Armee jetzt doch geschnappt hatte! (Und ich halte das noch immer für möglich.)
    Er fixierte die Schreibtischplatte. »Das ist lange her. Ich bin schon ziemlich alt, wie Sie ja bereits festgestellt haben, nicht wahr?« Ein beleidigter Blick. »Zu bejahrt ... für die Armee.« Er sprach ›bejahrt‹ wie ein Wort mit mindestens drei a aus. »Aber ich habe noch ein paar Uniformschlipse und einige Kameraden, die noch immer etwas auf meine Meinung geben, obwohl ich bejahrt bin. Es überrascht mich, daß Sie meinen Namen mit Auaui in Verbindung bringen. 1944 waren Sie doch noch ein kleines Kind.«
    »Ich habe ein Buch gelesen, das ... wann denn gleich ... 1955 erschienen ist.« Haast wußte sofort, daß ich Fred Berrigans Mars in Konjunktion meinte, einen leicht fiktiven Bericht über das Unternehmen Auaui. Jahre nach Erscheinen des Buches begegnete ich Berrigan auf einer Party. Ein fabelhafter, hellwacher Bursche, dem gleichwohl das Unglück im Gesicht geschrieben stand. Einen Monat später beging er Selbstmord. Doch das ist eine andere Geschichte.
    Haast sah finster vor sich hin. »Auch damals hatte ich eine Nase für Talente. Manchmal allerdings gehen Talent und Verrat Hand in Hand. Aber es ist sinnlos, mit Ihnen über den Fall Berrigan zu diskutieren, da Ihre Meinung darüber offenbar feststeht.«
    Dann fing er wieder mit seinem Willkommensgefasel an: Ich könnte die Bibliothek benutzen und würde wöchentlich fünfzig Dollar Taschengeld(!) erhalten - für die Kantine. Kino jeden Dienstag- und Donnerstagabend, Kaffee im Aufenthaltsraum usw., usw. Vor allem aber sollte ich mich frei fühlen, frei! Auch diesmal weigerte er sich, mir zu sagen, wo ich mich befand, warum ich hier war und wann ich entlassen oder nach Springfield zurückgeschickt werden würde.
    »Schreiben Sie ein gutes Tagebuch, Mr. Sacchetti. Mehr wollen wir nicht von Ihnen.«
    »Sie können mich Louie nennen, General Haast.«
    »O vielen Dank ... Louie. Nennen Sie mich doch einfach H. H. So nennen mich meine Freunde.«
    »H. H.«
    »Abkürzung von Humphrey Haast. Aber der Name ›Humphrey‹ weckt in unserer weniger liberalen Zeit falsche Assoziationen. Also - Ihr Tagebuch. Ich schlage vor, daß Sie sich jetzt zurückziehen und genau dort fortfahren, wo wir Sie kürzlich unterbrochen haben. Wir möchten, daß Ihr Tagebuch so minuziös wie möglich ist. Tatsachen, Sacchetti - verzeihung, Louie - Tatsachen! Genialität, sagt man, sei die unbegrenzte Fähigkeit, sich anzustrengen. Schreiben Sie so, als wollten Sie jemandem
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