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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie
Autoren: Aloys Winterling
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der Aristokratie, deren Lebensziel – wie in anderen vormodernen Adelsgesellschaften auch – im Erringen von Ehre und Ruhm bestand, waren traditionell auf die Ausübung politischer Funktionen, auf die jährlich wechselnde Bekleidung magistratischer Ämter verwiesen. Der Erfolg in dieser Hinsicht bestimmte denRang des einzelnen in der Hierarchie der aristokratischen Gesellschaft, und diese Stellung trat im täglichen Leben in vielfältigen Formen in Erscheinung – in der Reihenfolge, in der im Senat die Stimmen abgegeben wurden, in Ehrenplätzen bei städtischen Theateraufführungen, in der Größe des Gefolges, das sich einem erfolgreichen adligen Politiker anschloß, das ihn morgens in seinem Haus besuchte und bei seinen Gängen auf das Forum begleitete, schließlich in der Führung seines Haushaltes, in der Lage und Größe des Gebäudes, das er bewohnte, und in der materiellen Pracht, die dort, vor allem bei abendlichen Gastmählern, entfaltet wurde.
    Eine Erfolgsbedingung des Augustus war der persönliche Verzicht auf das aristokratische Bestreben, die eingenommene Machtposition auch gesellschaftlich in Erscheinung treten zu lassen. Er benahm sich im täglichen Leben wie ein normaler Senator, pflegte Freundschaftsbeziehungen zu anderen Aristokraten, als seien sie seinesgleichen, vermied es, mit großem Gefolge in der städtischen Öffentlichkeit aufzutreten, und bewohnte ein Haus auf dem Palatin, von dem berichtet wird, daß es kaum dem Luxus normaler Aristokraten entsprach. Bei diesem Ehrverzicht handelte es sich offensichtlich um eine bewußte Strategie, um die Akzeptanz seiner Stellung innerhalb der aristokratischen Oberschicht zu sichern. Augustus durchbrach dabei den Horizont adliger Mentalität und war damit vor allem deshalb erfolgreich, weil seine Standesgenossen in ihm verharrten. Es handelte sich somit um eine außergewöhnliche Leistung des ersten Kaisers, die zu erbringen, wie die weitere Geschichte zeigen sollte, nicht viele seiner Nachfolger willens oder in der Lage waren.
    Der Ehrverzicht war verbunden mit einer Herrschaftsausübung, die gegenüber der Senatsaristokratie auf Befehle gänzlich verzichtete, die jedoch hinreichend durchblicken ließ, was den Wünschen des Kaisers jeweils entsprach. Aufgrund seiner allen überlegenen Machtposition führte dies zu einer Art selbstläufigem, durchweg opportunistischen, manchmal auch vorauseilenden Gehorsam der Senatoren, aber, und das war entscheidend, die traditionellen Formen des Umgangs wurden auch hier gewahrt. So reichte es, wenn der Kaiser renitenten Aristokraten seine persönliche Freundschaft aufkündigte undsein Haus verbot. Die Folge waren sofortige Anzeigen und Gerichtsverfahren seitens umtriebiger Standesgenossen, die den «Feinden» des Kaisers das politisch-gesellschaftliche, meist auch das physische Ende bereiteten. Die Regierungskunst des Augustus gegenüber der Aristokratie bestand darin, solche Ernstfälle – trotz einer ganzen Reihe von erfolglos verlaufenen Verschwörungen gegen ihn – auf seltene Ausnahmen zu beschränken.
    Alles in allem basierte der Lebenserfolg des Augustus somit nicht so sehr auf einer klugen Sachpolitik, auf der Sicherung des Reiches und seiner Infrastruktur oder auf der Verschönerung Roms und der Versorgung seiner Bürger mit Getreide, als vielmehr auf seiner persönlichen Fähigkeit, paradoxen Verhaltensanforderungen in der aristokratischen Kommunikation gerecht zu werden: Herrscher zu sein, ohne zu befehlen, Machthaber zu sein, ohne als solcher in Erscheinung zu treten. Am Ende seines Lebens, so wird berichtet, habe er seine engsten Vertrauten zu sich kommen lassen und – nach zynischen Kommentaren über seine Zeit – um Applaus gebeten, wie er einem Schauspieler zukomme, der von der Bühne abtritt. Schon bei seinem Nachfolger sollte sich zeigen, daß solch schauspielerische Fähigkeiten innerhalb der römischen Aristokratie wenig verbreitet waren.
2. Die politische Familie
    Da Augustus im verfassungsrechtlichen Sinn keine Monarchie eingeführt, sondern sich statt dessen von den republikanischen Institutionen ein Bündel von auf seine Person zugeschnittenen Sondervollmachten hatte bestätigen lassen, war die Frage seiner Nachfolge in rechtlicher Hinsicht offengeblieben. Der für Erbmonarchien typische Satz «Der König ist tot, es lebe der König!» galt im kaiserzeitlichen Rom nicht, vielmehr starb, wie es Theodor Mommsen klassisch formuliert hat, «von Rechts wegen der Principat mit dem Princeps».
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