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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc
Autoren: Admin
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Tage der Untersuchungen einzutauschen, aber er war sicher, daß er seinen Teil der Abmachung eingehalten hatte. Er hatte sich leergeredet. Es gab nichts mehr zu sagen, nichts mehr zu hören. Jetzt blieb ihm nur noch, sich dem Gesetz zu stellen und seine Verbrechen zu gestehen, oder das zu tun, wozu der Staat keine Macht mehr hatte, und das Monster töten.
    Er wagte nicht, Decker in seinen Plan einzuweihen; er wußte, der Doktor würde alles in seiner Macht Stehende unternehmen, um den Selbstmord seines Patienten zu verhindern. Daher spielte er das stumme Subjekt noch einen Tag länger. Dann versprach er Decker, er würde am folgenden Morgen in der Praxis sein, ging nach Hause und bereitete alles vor, um sich selbst zu töten.
    Ein weiterer Brief von Lori erwartete ihn, der vierte, seit 26

    er sich zurückgezogen hatte, und sie wollte wissen, was los war. Er las ihn, so gut seine verwirrten Gedanken es zuließen, und versuchte eine Antwort, aber er konnte den Sinn der Worte, die er zu schreiben versuchte, nicht begreifen. Statt dessen steckte er den Appell ein, den sie an ihn gemacht hatte, und ging in die Dämmerung hinaus, um den Tod zu suchen.
    3
    Der Lastwagen, vor den er sich warf, war ihm nicht wohlgesonnen. Er preßte die Atemluft aus ihm heraus, aber nicht das Leben. Er wurde mit Prellungen und Schnitten und Schürfwunden blutend aufgehoben und ins Krankenhaus gebracht. Später sollte er einsehen, wie das alles in den Plan der Ereignisse paßte und daß ihm der Tod unter den Reifen des Lastwagens aus einem bestimm-ten Grund verweigert worden war. Aber während er im Krankenhaus saß und in einem weißen Zimmer darauf wartete, bis Menschen versorgt waren, denen es schlechter ging als ihm, konnte er sein Pech nur verfluchen.
    Anderer Leben hatte er mit schrecklicher Leichtigkeit nehmen können; sein eigenes widersetzte sich ihm. Selbst dabei war er in sich selbst geteilt.
    Doch das Zimmer barg – auch wenn er es nicht wußte, als er hineingeführt wurde – ein Versprechen, das die kahlen weißen Wände nic ht andeuteten. In ihm sollte er einen Namen hören, der mit der Zeit einen neuen Menschen aus ihm machen würde. Auf seinen Ruf hin würde er ausgehen wie das Monster, das er war, bei Nacht, und das Wunderbare kennenlernen.

    27

    Dieser Name war Midian.
    Er und auch er selbst hatten vieles gemeinsam, nicht zuletzt die gemeinsame Macht, Versprechen zu machen.
    Doch während sich sein Schwur ewiger Liebe schon nach Wochen als hohl erwiesen hatte, machte Midian Versprechungen – mitternächtlich, wie seine eigenen, ganz und gar mitternächtlich – , die nicht einmal der Tod brechen konnte.

    28

    III
    Der Schwärmer
    In den Jahren seiner Krankheit, innerhalb und außerhalb von psychiatrischen Anstalten und Sanatorien, hatte Boone sehr wenige andere Leidende kennengelernt, die sich nicht an einen Talisman klammerten, ein Zeichen oder Andenken, das an den Pforten ihrer Herzen und Köpfe Wache hielt. Er hatte rasch gelernt, solche Amulette nicht zu belächeln. Was immer einen durch die Nacht bringt, war ein Leitspruch, den ihn harte Erfahrungen gelehrt hatten.
    Die meisten dieser Schutzwälle gegen das Chaos hatten für die, die sie gewirkt hatten, persönliche Bedeutung.
    Trinkgläser, Schlüssel, Bücher und Fotos: Andenken an bessere Zeiten, die als Verteidigung gegen die schlechten gehütet wurden. Aber manche gehörten dem kollektiven Bewußtsein an. Sie waren Worte, die er mehr als einmal hören sollte: Nonsensverse, deren Reime die Schmerzen auf Distanz hielten; Namen von Göttern.
    Unter ihnen Midian.
    Er hatte den Namen dieses Ortes schätzungsweise ein halbes dutzendmal von Menschen ausgesprochen gehört, denen er unterwegs begegnet war, normalerweise von denen, deren Kraft verbraucht war. Wenn sie von Midian sprachen, dann von einem Ort der Zuflucht; einem Ort, zu dem man sich tragen ließ. Mehr noch: ein Ort, wo ihnen sämtliche Sünden, die sie begangen hatten – echte und eingebildete –, verziehen wurden. Boone kannte die Ursprünge dieser Mythologie nicht; sie hatten ihn auch nie so sehr interessiert, daß er ihnen nachgeforscht hätte.

    29

    Er hatte keine Vergebung gebraucht, hatte er jedenfalls geglaubt. Jetzt wußte er es besser. Er hatte genügend, von dem er sich reinigen mußte; Obszönitäten, welche keine Instanz, die er kannte, von ihm nehmen konnte, die sein Verstand vor ihm verborgen hatte, bis Decker sie ans Licht holte. Er hatte sich zu einer anderen Klasse von Wesen
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