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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc
Autoren: Admin
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formulierten Fragen erfüllt, während sie gemeinsam
    – Mord für Mord – die Beweise für Boones geheimes Leben untersuchten. Obwohl der Patient darauf beharrte, daß es seine Verbrechen waren, riet Decker zur Vorsicht.
    Schuldeingeständnisse waren keine gültigen Beweise. Sie mußten sicher sein, daß bei den Geständnissen nicht einfach Boones selbstzerstörerische Natur mitspielte, die die Verbrechen aus Gier nach Bestrafung gestand, Boone war nicht in der Position zu widersprechen.
    Decker kannte ihn besser, als er sich selbst kannte. Und er hatte auch Deckers Bemerkung nicht vergessen, sollte sich das Schlimmste als wahr erweisen, würde der Ruf des Doktors als Heiler vor die Hunde gehen: Keiner von ihnen konnte es sich leisten, sich zu irren. Die einzige Möglichkeit, sich Gewißheit zu verschaffen, war es, die Einzelheiten der Morde durchzugehen – Zeiten, Namen und Orte
    – und zu hoffen, Boones Gedächtnis würde sich erinnern. Oder daß sie einen Mord fanden, der geschehen war, als er ohne jeden Zweifel in Gesellschaft von anderen gewesen war.
    Der einzige Teil des Vorgangs, vor dem Boone zurück-schreckte, war das neuerliche Betrachten der Fotos. Er leistete Deckers sanftem Druck achtundvierzig Stunden lang Widerstand und gab erst nach, als die Sanftheit 21

    verschwand und Decker ihn bedrängte und ihm Feigheit und Täuschungsmanöver vorwarf. War das alles ein Spiel, wollte Decker wissen; eine Übung in Selbstkasteiung, nach der keiner von ihnen schlauer sein würde? Wenn ja, konnte Boone verdammt noch mal sofort aus seinem Büro verschwinden und jemandem anderem die Zeit stehlen.
    Boone willigte ein, die Fotos zu betrachten.
    Nichts an ihnen löste seine Erinnerung aus. Das Blitzlicht der Kamera hatte zahlreiche Einzelheiten ausgewa-schen; was blieb, war das Übliche. Die einzigen Anblicke, die eine Reaktion hätten auslösen können – die Gesic hter der Opfer – waren vom Killer ausgelöscht und zur Unkenntlichkeit zerstückelt worden; nicht einmal der meisterhafteste Maskenbildner hätte diese zerschmet-terten Fassaden wieder zusammenfügen können. Daher lief alles auf die unbedeutenden Einzelheiten hinaus, wo Boone in dieser oder jener Nacht gewesen war; mit wem; was er gemacht hatte. Da er nie Tagebuch geführt hatte, war es schwierig, die Fakten zu bestätigen, aber er war die meiste Zeit – abgesehen von den Stunden, die er mit Lori oder Decker verbracht hatte, von denen keine mit Mordnächten zusammenzufallen schienen, allein gewesen – und ohne Alibi. Am Ende des vierten Tages begann die Beweislast gegen ihn erdrückend zu wirken.
    »Genug«, sagte er zu Decker. »Wir haben genug getan.«
    »Ich würde es gern noch einmal durchgehen.«
    »Was soll das?« sagte Boone. »Ich möchte alles hinter mich bringen.«
    In den vergangenen Tagen – und Nächten – hatten sich viele der alten Symptome, die Anzeichen der Krankheit, die er, wie er glaubte, fast völlig überwun-den hatte, wieder eingestellt. Er konnte nicht mehr lä nger als fünf Minuten am Stück schlafen, bevor absto-
    ßende Visionen

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    ihn in ein benommenes Wachsein zurückstießen; er konnte nicht mehr richtig essen; er schlotterte von innen nach außen, jede Minute des Tages. Er wollte dem ein Ende machen; wollte die Geschichte preisgeben und bestraft werden.
    »Geben Sie mir noch etwas Zeit«, sagte Decker. »Wenn wir jetzt zur Polizei gehen, werden Sie mir weggenommen. Sie werden mir wahrscheinlich nicht einmal gestat-ten, Sie zu besuchen. Sie werden allein sein.«
    »Das bin ich schon«, antwortete Boone. Seit er diese Fotos zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er sich jeglichen Kontakt untersagt, selbst mit Lori, weil er sein Poten-tial, Schaden anzurichten, fürchtete.
    »Ich bin ein Monster«, sagte er. »Das wissen wir beide.
    Wir haben alle Beweise, die wir brauchen.«
    »Es ist keine Frage der Beweise.«
    »Was dann?«
    Decker lehnte sich an den Fensterrahmen, als wäre ihm seine Masse neuerdings eine Last.
    »Ich verstehe Sie nicht, Boone«, sagte er.
    Boones Blick glitt vom Mann zum Himmel. Heute wehte der Wind aus Südost; Wolkenfetzen eilten ihm voraus.
    Ein schönes Leben, dachte Boone, dort oben zu sein, leichter als Luft. Hier unten war alles schwer; Fleisch und Schuld brachen einem das Rückgrat.
    »Ich habe vier Jahre mit dem Versuch verbracht, Ihre Krankheit zu verstehen und habe gehofft, ich könnte sie heilen. Und ich dachte, ich hätte Erfolg. Dachte, es be-stünde eine Chance, daß alles gut
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