Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc
Autoren: Admin
Vom Netzwerk:
daß in Ihren Antworten immer dieselben Phrasen auftauchen. Meistens in anderem Material begraben, aber da. Es war, als würden Sie etwas gestehen; aber etwas so Gräßliches, daß Sie es nicht einmal in Trance über sich bringen konnten, es auszusprechen. Statt dessen kam es in diesem... Kode heraus.«
    Boone kannte Kodes. Während der schlimmen Zeit hatte er sie überall gehört. Botschaften eines imaginären Gegners im zwischen Sendern eingestellten Radio; oder im Murmeln des Verkehrs vor der Dämmerung. Es überraschte ihn nicht, daß er selbst die Kunst gelernt haben könnte.
    »Ich habe bei den Polizisten, die ich behandelt habe«, fuhr Decker fort, »ein paar beiläufige Erkundigungen eingezogen. Nichts Eindeutiges. Und sie haben mir von den Morden erzählt. Einige Ein zelheiten kannte ich natürlich aus der Presse. Sieht so aus, als würde das schon seit etwa zweieinhalb Jahren andauern. Mehrere hier in Calgary; der Rest im Umkreis einer Fahrtstunde. Die Arbeit eines einzigen Mannes.«
    »Meine.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Decker und sah Boone endlich an. »Wenn ich sicher wäre, hätte ich alles gemeldet...«
    »Aber Sie sind es nicht.«
    »Ich will es ebensowenig glauben wie Sie. Sollte sich herausstellen, daß es wahr ist, bekleckert es mich nicht gerade mit Ruhm.« Es war Zorn in ihm, der kaum verhoh-len wurde. »Darum habe ich gewartet. Ich hoffte, Sie würden bei mir sein, wenn der nächste passiert.«
    »Sie meinen, einige dieser Menschen sind gestorben, als Sie es schon wußten?«

    18

    »Ja«, sagte Decker tonlos.
    »Mein Gott!«
    Dieser Gedanke riß Boone vom Sessel, sein Bein stieß gegen den Tisch. Die Mordfotos wirbelten durcheinan-der.
    »Seien Sie leise«, forderte Decker.
    »Menschen sind gestorben, und sie haben gewartet?«
    »Dieses Risiko bin ich für Sie eingegangen, Boone. Das werden Sie respektieren.«
    Boone wandte sich von dem Mann ab. Kalter Schweiß bedeckte sein Rückgrat.
    »Setzen Sie sich«, sagte Decker. »Bitte setzen Sie sich und sagen Sie mir, was Ihnen diese Fotos bedeuten.«
    Boone hatte unwillkürlich die Hand vor die untere Gesichtshälfte gelegt. Er wußte aus Deckers Anweisungen, was dieser spezielle Ausdruck der Körpersprache bedeutete. Sein Verstand benutzte seinen Körper, um eine Enthüllung zu dämpfen; oder völlig zum Schweigen zu bringen.
    »Boone. Ich brauche Antworten.«
    »Sie bedeuten nichts«, sagte Boone, ohne sich umzudrehen.
    »Gar nichts?«
    »Gar nichts.«
    »Sehen Sie sie noch einmal an.«
    »Nein«, beharrte Boone. »Ich kann nicht.«
    Er hörte den Doktor einatmen und erwartete halb die Forderung, sich dem Grauen nochmals auszusetzen. Statt dessen war Deckers Tonfall versöhnlich.
    »Schon gut, Aaron«, sagte er. »Schon gut. Ich entferne sie.«
    Boone drückte die Handballen gegen die geschlossenen Augen. Die Augenhöhlen waren heiß und naß.
    »Sie sind fort, Aaron«, sagte Decker.

    19

    »Nein, sind sie nicht.«
    Sie waren noch bei ihm; perfekt eingeprägt. Elf Zimmer und elf Leichen, die jenseits jeglichen Exorzismus vor seinem geistigen Auge verankert waren. Die Mauer, die Decker in fünf Jahren aufgebaut hatte, war in ebenso vielen Minuten niedergerissen worden, von ihrem eigenen Architekten. Boone war wieder der Barmherzigkeit seines Wahnsinns ausgeliefert. Er hörte ihn in seinem Kopf heulen, er kam aus elf aufgeschlitzten Luftröhren, aus elf durchbohrten Mägen. Atem und Darmgas sangen die alten Lieder des Wahnsinns.
    Warum waren seine Verteidigungsmechanismen nach soviel Mühe so leicht zusammengebrochen? Seine Augen kannten die Antwort, sie vergossen Tränen, um das auszusprechen, was seine Zunge nicht konnte. Er war schuldig. Warum sonst? Hände, die er eben jetzt an seinen Hosen trockenrieb, hatten gequält und gemordet. Tat er, als wäre es nicht so, würde er sie lediglich zu weiteren Verbrechen verlocken. Es war besser, wenn er gestand, auch wenn er sich an nichts erinnerte, als einen weiteren unbedachten Augenblick zu riskieren.
    Er drehte sich um und sah Decker an. Die Fotos waren eingesammelt und verkehrt herum auf den Tisch gelegt worden.
    »Erinnern Sie sich an etwas?« sagte der Doktor, der die Veränderung in Boones Gesicht sah.
    »Ja«, antwortete er.
    »Woran?«
    »Ich war es«, sagte Boone einfach. »Ich war es jedesmal.«

    20

    II
    Akademie
    l
    Decker war der mildeste Staatsanwalt, den sich ein Ange-klagter nur wünschen konnte. Die Stunden, die er nach jenem ersten Tag mit Boone verbrachte, waren von sorgfältig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher