Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
Großvater an, denn sie wußte wohl, daß er sie, wie gewöhnlich, verteidigen werde.
    »Nein, nein«, sagte er, »Kopf hoch, Tony, courage! Eines schickt sich nicht für alle. Jeder nach seiner Art. Thilda ist brav, aber wir sind auch nicht zu verachten. Spreche ich raisonable, Bethsy?«
    Er wandte sich an seine Schwiegertochter, die seinem Geschmacke beizupflichten pflegte, während Mme. Antoinette, mehr aus Klugheit wohl, denn aus Überzeugung, meistens die Partei des Konsuls nahm. So reichten sich die beiden Generationen, im chassé croisé gleichsam, die Hände.
    »Sie sind sehr gut, Papa«, sagte die Konsulin. »Tony wird sich bemühen, eine kluge und tüchtige Frau zu werden … Sind die Knaben aus der Schule gekommen?« fragte sie Ida.
    Aber Tony, die vom Knie des Großvaters aus in den »Spion« durchs Fenster sah, rief fast gleichzeitig:
    »Tom und Christian kommen die Johannisstraße herauf … und Herr Hoffstede … und Onkel Doktor …«
    Das Glockenspiel von St. Marien setzte mit einem Chorale ein: pang! ping, ping – pung! ziemlich taktlos, so daß man nicht recht zu erkennen vermochte, was es eigentlich sein sollte, aber doch voll Feierlichkeit, und während dann die kleine und die große Glocke fröhlich und würdevoll erzählten, daß es vier Uhr sei, schallte auch drunten die Glocke der Windfangthür gellend über die große Diele, worauf es in der That Tom und Christian waren, die ankamen, zusammen mit den ersten Gästen, mit Jean Jacques Hoffstede, dem Dichter, und Doktor Grabow, dem Hausarzt.

{17} 2.
    Herr Jean Jacques Hoffstede, der Poet der Stadt, der sicherlich auch für den heutigen Tag ein paar Reime in der Tasche hatte, war nicht viel jünger als Johann Buddenbrook, der Ältere, und, abgesehen von der grünen Farbe seines Leibrockes, in dem selben Geschmack gekleidet. Aber er war dünner und beweglicher, als sein alter Freund, und besaß kleine, flinke, grünliche Augen und eine lange, spitze Nase.
    »Besten Dank«, sagte er, nachdem er den Herren die Hände geschüttelt und vor den Damen – im besonderen vor der Konsulin, die er außerordentlich verehrte – ein paar seiner ausgesuchtesten compliments vollführt hatte, compliments, wie die neue Generation sie schlechterdings nicht mehr zustande brachte, und die von einem angenehm stillen und verbindlichen Lächeln begleitet waren. »Besten Dank für die freundliche Einladung, meine Hochverehrten. Diese beiden jungen Leute«, und er wies auf Tom und Christian, die in blauen Kitteln mit Ledergürteln bei ihm standen, »haben wir in der Königstraße getroffen, der Doktor und ich, als sie von ihren Studien kamen. Prächtige Bursche – Frau Konsulin? Thomas, das ist ein solider und ernster Kopf; er muß Kaufmann werden, darüber besteht kein Zweifel. Christian dagegen scheint mir ein wenig Tausendsassa zu sein, wie? ein wenig Incroyable … Allein ich verhehle nicht mein engouement. Er wird studieren, dünkt mich; er ist witzig und brillant veranlagt …«
    Herr Buddenbrook bediente sich seiner goldenen Tabaksdose.
    »'N Aap is hei! Soll er nicht gleich Dichter werden, Hoffstede?«
    Mamsell Jungmann steckte die Fenstervorhänge übereinander, und bald lag das Zimmer in dem etwas unruhigen aber diskreten und angenehmen Licht der Kerzen des Kristallkronleuchters und der Armleuchter, die auf dem Sekretäre standen.
    {18} »Nun, Christian«, sagte die Konsulin, deren Haar goldig aufleuchtete, »was hast du heute nachmittag gelernt?« Und es ergab sich, daß Christian Schreiben, Rechnen und Singen gehabt hatte.
    Er war ein Bürschchen von sieben Jahren, das schon jetzt in beinahe lächerlicher Weise seinem Vater ähnlich war. Es waren die gleichen, ziemlich kleinen, runden und tief liegenden Augen, die gleiche stark hervorspringende und gebogene Nase war schon erkenntlich, und unterhalb der Wangenknochen deuteten bereits ein paar Linien darauf hin, daß die Gesichtsform nicht immer die jetzige kindliche Fülle behalten werde.
    »Wir haben furchtbar gelacht«, fing er an, zu plappern, während seine Augen im Zimmer von Einem zum Anderen gingen. »Paßt mal auf, was Herr Stengel zu Siegmund Köstermann gesagt hat.« Er beugte sich vor, schüttelte den Kopf und redete eindringlich in die Luft hinein: »Äußerlich, mein gutes Kind, äußerlich bist du glatt und geleckt, ja, aber innerlich, mein gutes Kind, da bist du schwarz …« Und dies sagte er unter Weglassung des »r« und indem er »schwarz« wie »swärz« aussprach – mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher